Natur des Erdmagnetismus 135
gänz unmerkliche Aenderung folgen würde, während sie thatsächlich oft 10 Mi-
nuten und mehr betrágt. Um eine solche zu erzeugen, müsste die Sonne
12000 mal so stark magnetisirt sein (wohl verstanden auf die Raumeinheit) wie
die Erde, also stärker als wenn sie gänzlich aus bestmagnetisirtem Stahl be-
stände. Der Einfluss der Sonne ist also ein indirekter, und es liegt am nächsten,
der Temperatur die vermittelnde Rolle zuzuschreiben. Schliesslich ist auch der
Zusammenhang der magnetischen Schwankungen mit den Sonnenflecken (s. 0
jedenfalls nur ein indirekter.
Magnetische oder elektrische Natur des Erdmagnetismus. Die
magnetischen Kräfte, welche sich in den Erscheinungen des Erdmagnetismus
bemerklich machen, können, wie bisher stillschweigend, resp. der Kürze des
Ausdrucks halber angenommen wurde, von wirklichen Magneten, sie können
aber auch von elektrischen Strömen ausgehen, und es tritt die dritte, die beiden
ersten vermittelnde Möglichkeit hinzu, dass es sich um Elektromagnete handelt.
Dass in der Erde so Kräftige Stahlmagnete vorhanden seien, wie sie die Er-
scheinungen erfordern, ist wegen der Höhe der dort vermuthlich herrschenden
Temperatur nicht wahrscheinlich. Elektrische Ströme spielen also jedenfalls die
wesentliche Rolle; in wie weit sie jedoch direkt oder durch Vermittelung mag-
netisirter Eisenmassen wirken, von welcher Natur jene Ströme sind und
welchen räumlichen Verlauf sie im Innern der Erde nehmen, gestatten unsere
gegenwärtigen Kenntnisse nicht zu beantworten. Die zahlreichen Vermuthungen
und Theorien, welche bezüglich dieser Punkte ausgesprochen und entwickelt
worden sind, entbehren derjenigen Grundlagen und Ergebnisse, welche eine Ent-
scheidung herbeiführen können. Manche haben dabei — mit Rücksicht auf die
Rotation der Erde — an Convectionsströme, manche an Reibungsströme, noch
andere an thermoelektrische Ströme gedacht, und vielfach ist auch die atmo-
sphärische Elektricität zum Verständniss mit herangezogen worden. Es kann
hierauf nicht näher eingegangen werden, wohl aber müssen noch zwei Er-
scheinungen kurz angeführt werden, welche, ebenfalls elektrischer Natur, mit
den erdmagnetischen Erscheinungen in innigem thatsächlichen Zusammenhange
stehen, die Polarlichter und die Erdströme.
Polarlichter. In Bezug auf das Thatsächliche dieser Erscheinung muss
auf die zahlreiche Literatur!) verwiesen werden; hier sei nur erwähnt, dass das
Polarlicht eine meist sanfte, aber durch ihre Grösse und Mannigfaltigkeit impo-
nirende Lichterscheinung ist, weiche am nördlichen oder südlichen Himmel auf-
tritt und deshalb auch Nordlicht bezw. Südlicht genannt wird. Ihre Beziehung
zum Erdmagnetismus, die uns hier allein interessirt, ist eine durchgehende. Die
geometrische Axe der Erscheinung, falls eine solche sich construiren lässt, stimmt
mit der Richtung der Inklinationsnadel überein, die Ebene, in der sich die Er-
scheinung aufrollt, ist meist senkrecht zum magnetischen Meridian, und wenn
die Strahlen des Lichtes hinreichend ausgebildet sind, so vereinigen sie sich
nahe dem Punkte, nach welchem das obere Ende der freien Magnetnadel zeigt.
Das Auftreten des Lichtes fällt mit den magnetischen Störungen zusammen, wo-
bei ein Parallelismus in der Intensität beider Erscheinungen stattfindet und fast
stets selbst dann, wenn an einem Orte nur eine Störung, aber kein Licht auf-
1) Vergl. z. B. MUNCKE in GEHLER’s Wörterbuch Bd. 7, pag. 113. — FRITZ, das Polarlicht,
Lpz. 1881. — LEMSTRÔM, Arch. de Gen. 54, 55 u. s w. — UNTERWEGER, Wien. Denkschr.
1885. — Eine sehr übersichtliche Darstellung der Erscheinung und der Theorie giebt WEIN-
STEIN in: Himmel und Erde 1889,90, pag. 234 u. 360, 1890/91, pag. 101 u. 540.