Polarlichter. : 137
Häufigkeit zur Zeit der Tag- und Nachtgleichen, kleinste zur Zeit der Sonnen-
wenden). Die wichtigste zeitliche Eigenthümlichkeit der Polarlichter ist und
bleibt aber ihr Zusammentreffen mit den magnetischen Störungen. Bei der
grossen Unwahrscheinlichkeit, dass diesen Störungen wirklich so gewaltige plötz-
liche Aenderungen des Erdmagnetismus zu Grunde liegen, kommt man leicht
zu dem Schlusse, dass vielmehr die Polarlichter (gemeinschaftlich mit den Erd-
strömen, 5. w. u.) sie hervorrufen, oder mindestens, dass ihnen eine gemeinsame
Entstehungsursache zukommt.
Dass das Polarlicht eine elektrische Erscheinung ist, wird gegen-
wärtig wohl kaum noch bezweifelt. Wie man sich aber die bezüglichen elek-
trischen Vorgänge genetisch und thatsächlich vorzustellen habe, darüber gehen
die Ansichten noch weit auseinander; und da sichere Anhaltspunkte fehlen, so
kann man höchstens der einen oder der andern dieser Ansichten mehr Wahr-
scheinlichkeit zusprechen und die Gründe hierfür entwickeln. So ist als Ursprungs-
ort der Elektricität bald das Erdinnere, bald die Erdoberfläche, speciell die
Meeresoberfläche, bald die Atmosphäre, bald endlich die Sonne bezeichnet
worden, und gerade die letztgenannte, von SrEMENs herrührende Hypothese, er-
freut sich gegenwärtig mit Recht grosser Beliebtheit. Für die hierbei anzu-
nehmende Uebertragung von Elektricitát von der Sonne auf die Erde wird neuer-
dings sogar noch eine weitere, lüngst bekannte Erscheinung am Himmel heran-
gezogen, námlich das Zodiakallicht. Zuzugeben ist jedenfalls, dass die oben
angedeutete Uebereinstimmung in der Periodicitit von Sonnenvorgüngen einer
seits und erdmagnetischen und Polarlicht-Erscheinungen andererseits der SiEMENs-
schen Annahme eine starke Stütze verleiht.
Was andererseits die Natur des eigentlichen Vorganges betrifft, so hat man
bisher vorzugsweise an Entladungen zwischen der Erde und den hóheren Schichten
gedacht; von bestimmten Theorien dürften hierbei die von EDLUND und LrM-
STRÖM, die sich nur durch einen gewissen Gegensatz in der Richtung der sich
abspielenden Processe unterscheiden, ein besonderes Interesse beanspruchen,
zumal da es dem Letzteren gelungen ist, in Lappland durch geeignete Vor-
richtungen künstliche Nordlichter in grösserem Maassstabe zu erzeugen. Hier-
nach ist die Luft zwar in den unteren Schichten der Atmosphäre ein Isolator,
in den oberen aber ein Leiter, so dass man sich gewissermaassen die Erdkugel
von einer durch eine isolirende Luftschale von ihr getrennten leitenden Luft-
schale umgeben denken kann; die Kugel und diese letztere Schale sind háufig
oder stets entgegengesetzt geladen, und der Austausch von Elektricitàt, welcher
bei gewisser Spannung zwischen ihnen erfolgt, kann zweierlei Formen annehmen:
die gewaltsame, das sind die Gewitter, und die sanfte, das sind die Polar-
lichter — Entladungsformen, welche auch sonst bekannt genug sind; in müssigen
Breiten wird die eine, in hohen die andere Form häufiger sein; jene hat keinen
merklichen, diese dagegen einen beträchtlichen Einfluss auf die Magnetnadel. —
Mit Recht hat WEINSTEIN die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, dass es sich bei
den Polarlichtern, statt um Entladungen, auch um wirkliche, in der Atmosphäre
in sich selbst geschlossene elektrische Ströme handeln kann, deren Richtung
dann nicht mit den Strahlen, sondern mit den darauf senkrechten Bögen der
Lichterscheinung zusammenfallen würde, eine Auftassung, welche manche Be-
ziehungen weit besser verständlich machen würde als die obige, und welche
die Polarlichter in vollständigen Parallelismus mit dem nun zu erwähnenden
Phánomen der Erdstróme bringen würde.