Differentielle Theorie, 221
nehmen, dass der Diamagnetismus nur ein scheinbarer sei, dass die Constante x
bei ihnen nicht in Wahrheit, sondern nur scheinbar negativ sei, und die Analogie
mit dem archimedischen Princip in der Mechanik führt sofort zur Aufklärung
über diesen Anschein. Diamagnetisch erscheinen Körper, wenn sie schwächer
magnetisch sind als die Umgebung, in der sie sich befinden. So hat man durch
den Versuch gezeigt, dass eine schwache Eisenchlorid-Lösung, umgeben von
einer stärkeren, diamagnetisch erscheint; und bei Angaben über den Magnetismus
von Gasen (s. ob.) muss man immer bemerken, ob es sich um die Zahlen
gegen Luft oder gegen ein anderes Gas oder gegen den leeren Raum handelt,
weil hiervon die Grósse der Zahlen und nicht selten auch ihr Vorzeichen ab-
hängt. Eine Schwierigkeit bereitet bei dieser ganzen Vorstellung nur die That-
sache, dass auch im Vacuum zahlreiche Stoffe diamagnetisch erscheinen, sodass
nur die Schlussfolgerung übrig bleibt, dass das Vacuum selbst magnetisch und
zwar stárker magnetisch sei, als alle diejenigen Stoffe, welche in ihm diamagnetisch
erscheinen. Diese Annahme verliert aber ihren paradoxen Charakter, wenn man
bedenkt, dass das sogen. Vacuum kein leerer Raum, sondern mit Aether erfüllt
ist, und dass der Aether zwar unmessbar leicht ist, trotzdem aber auch in
anderer Hinsicht physikalische Eigenschaften von durchaus nicht unendlich
kleinen Gróssenwerthen besitzen muss, um den Erscheinungen, bei denen er
eine Rolle spielt, zur Grundlage dienen zu kónnen.
Die Annahme, dass alle Kórper positiv magnetisch und nur einige von ihnen
scheinbar diamagnetisch seien, ist schon von E. BECQUEREL?!) aufgcstellt, seitdem
vielfach angenommen, aber auch vielfach angegriffen worden. Es muss jedoch
darauf hingewiesen werden, dass alle zu dem letzteren Zwecke angestellten
Versuche nichts beweisen, weil sie ebenso gut aus der BECQUEREL'schen Annahme
verstándlich gemacht werden kónnen; man vergleiche hierüber unter anderem
Aufsátze von BRAUN?) und BLONDLOT®). Allerdings ist es auch schwer, Versuchs-
anordnungen zu treffen, welche für die differentielle "Theorie entscheiden, und
es muss dahingestellt bleiben, ob einem Versuch von TuMmLrz iiber die Ein-
stellung eines Bergkrystalls (s. w. u.) eine entscheidende Bedeutung zukomme.
In jedem Falle ist diese Entscheidung nicht mehr von fundamentaler Bedeutung,
seitdem die Unmöglichkeit wirklicher Diamagnete auf andere Weise erkannt
worden ist.
Wil man das archimedische Princip auf das differentielle Verhalten mag-
netischer Kórper in magnetischer Umgebung anwenden?^, so muss man von der
Oberfláchengleichung für einen magnetischen Kórper ausgehen, also z. B. von
der Gleichung (18b) des vorigen Artikels, diese aber in der Richtung modif
ciren, dass man der Umgebung nicht die Susceptibilitát null, also die Permeabi-
litát 1, sondern eine bestimmte Susceptibilitát x, und eine von 1 verschiedene
Permeabilitäit pg zuschreibt; es wird dann die Gleichung für das Gesammt-
potential o: .
0
P ex + Po pe = 0. (7)
Diese Gleichung kann man aber auf die ursprüngliche Form, in welcher
der Coéfficient des zweiten Gliedes 1 ist, zurückführen, indem man mit p,
T) E. BECQUEREL, Ann. Chim. Phys. (3) 28, pag. 343. 1850.
?) F. BRAUN, WIED. Ann. 33, pag. 318. 1888.
3) BLoNDLOT, Compt. rend. 106, pag. 1347. 1888.
^) MAXWELL, El. u. Magn. 2, pag. 64. — MASCART u. JOUBERT, El. u. Magn. 1, pag. 341.