Beobachtung en an Krystallen. 220
in welchem sie ohne diese Theorie einen hóchst verwickelten und zum Theil
paradoxen Eindruck machen würden. Es dürfte daher hier ebenso wenig wie
bei den isotropen, para- und diamagnetischen Stoffen Interesse darbieten, die
zahlreichen Beobachtungen mitzutheilen, welche früher an Krystallen in magne-
tüscher Hinsicht angestellt worden sind; denn entweder ist ihre Nothwendigkeit
nach der Theorie sofort zu übersehen, oder ihre Complikation ist nach der
Theorie durch das Zusammenwirken verschiedener Umstände bedingt, das weiter
zu verfoigen wenig lohnend ist. Es werden daher hier nur einige wenige der
rein qualitativen Beobachtungen berücksichtigt werden. Von Wichtigkeit sind
hingegen die quantitativen Bestimmungen, und diese kann man wieder in drei
Klassen eintheilen. Bei den Untersuchungen der ersten Art handelt es sich
lediglich um die experimentelle Prüfung der THowsow'schen Theorie, bei den
zweiten um die Feststellung des para- oder diamagnetischen Verhaltens, des
positiven oder negativen Charakters und der Reihenfolge der Axen hinsichtlich
der Stärke der Magnetisirung, bei den dritten endlich um Ermittelung von Zahlen-
werthen für die magnetischen Constanten.
Grundversuche. PrÜckER, der einen grossen Hufeisenmagneten benutzte,
untersuchte zuerst grünen Turmalin, und fand, dass er zwar einerseits angezogen
wird, sich aber andererseits mit der Axe äquatorial einstellt; ein Gegensatz,
der ihn damals sehr überraschen musste, wührend wir jetzt die einfache Deutung
kennen, dass der Turmalin paramagnetisch, aber negativ ist. Auch bei einigen
anderen Krystallen fand er dasselbe Verhalten. Als bald darauf FARADAY ent-
deckte, dass sich ein Wismuthkrystall axial einstellt, glaubte er hierfür eine be-
sondere Ursache, die Magnekrystallkraft, annehmen zu müssen. Erst durch seine
und PLOCKER's weitere Versuche gelangte er zu der Einsicht, dass alle krystall-
magnetischen Erscheinungen einheitlichen Ursprungs sind und durch den Satz
beschrieben werden kónnen, dass ein Krystall im gleichfórmigen Magnetfelde
sich in diejenige Lage dreht oder zu drehen strebt, in der ihn die Kraftlinien
am leichtesten durchsetzen kónnen; man sieht den Zusammenhang dieses Satzes
mit der obigen Theorie leicht ein. Die Auffindung des Gegensatzes zwischen
positivem und negativem Charakter bei para- oder diamagnetischer Substanz
brachte dann, nebst weiteren Versuchen von PLÜCKFR und BEER, sowie von
KNOBLAUCH und TYNDALL!) vollends Klarheit in die Verhältnisse. Die Letzt-
genannten prüften auch künstlich heterotrop gemachte Körper, z. B. schnell
abgekühltes Glas und einseitig komprimirte Stofte, ferner auch Holz, Elfenbein
u. S. w. und fanden überall analoges Verhalten.
Eine quantitative Prüfung der THoMsoNw'schen Theorie erscheint
in sofern nicht durchaus erforderlich, als diese Theorie an sich unanfechtbar
ist, abgesehen von zwei Voraussetzungen, welche sich aber ebenfalls direkt als
richtig erweisen lassen, nämlich, dass bei den Krystallen die Susceptibilität von
der magnetisirenden Kraft unabhängig ist, und dass keine Remanenz existirt,
Eigenschaften, die ebenso wie bei den isotropen schwach magnetischen Körpern
auch bei den Krystallen sehr näherungsweise und höchstens mit speciellen Aus-
nahmen (s. w. u.) erfüllt sind. Immerhin ist es dankenswerth, dass, von früheren
1) KnoBLAUCH und TYNDALL, PoGG, Ann. 79, pag. 233; 81, pag. 481. 1850. — TYNDALL,
Phil. Mag. (4) 2, pag. 165. 1851 und (4) 10, pag. 153 und 257. 1855. — Phil. Mag. (4) 11,
pag. 125. 1856. — PoGG. Ann. 83, pag. 384.