Harr’sches Phänomen. 323
an, dass ein Strom, der »secundüre Strom«, durch das Galvanometer geht, dass
also die die beiden seitlichen Elektroden verbindende Linie keine Niveaulinie mehr
ist, man muss vielmehr die eine Elektrode verschieben, also die ursprüngliche
Niveaulinie drehen, um sie wieder zu einer Niveaulinie zu machen. Kehrt man
den Strom oder das Feld um, so erfolgt der Ausschlag im entgegengesetzten
Sinne; hieraus ist zu schliessen, dass sich, absolut genommen, die Drehung der
Niveaulinie bei Feldumkehr umkehrt, nicht aber bei Stromumkehr; an den
Fig. 193a—d kann man dies leicht verfolgen. Diese Erscheinung ist bald nach HALL
von zahlreichen Beobachtern bestätigt und ebenso wie von HALL selbst, nach
den verschiedensten Richtungen hin studirt worden; es seien insbesondere
Rorr?), Rıcar?), Biowern3), Lepuc%), v. ETTINGSHAUSEN und NERNST®), sowie
KUNDT®) genannt.
Fast alle bisher untersuchten Metalle haben die Erscheinung, den sogen.
»HALL-Effekt« gezeigt, aber nicht alle in demselben Sinne; nennt man viel-
mehr eine Drehung im Sinne der das Feld erregenden Stróme positiv, die ent-
gegengesetzte negativ, so besitzen z. B. Gold, Silber, Kupfer, Wismuth, Nickel
eine negative Drehung, Eisen, Kobalt, Antimon und Zink eine positive;
bei Zinn und besonders bei Blei ist sie so schwach, dass das Vorzeichen nicht
ganz sicher ist (s. w. u.). Wie man sieht, besteht zwischen den Vorzeichen
des Harr-Effekts und dem Para- und Diamagnetismus kein Zusammenhang, da
sich Eisen und Kobalt gleich, Nickel aber entgegengesetzt verhält; eher könnte
man daran denken, dass das magnetoelastische Verhalten der drei ferromagneti-
schen Metalle ein ähnliches ist. Die obigen Fig. 193a—d beziehen sich, wie
man sieht, auf eine Substanz mit negativer Drehung.
Gesetz des HALL-Effektes. Durch Hair und seine Nachfolger ist auch
sehr bald das Gesetz der Erscheinung festgestellt, d. h. gezeigt worden, in
welcher Weise sie von den verschiedenen in Betracht kommenden Grössen ab-
hängt. Dabei muss man unterscheiden zwischen der »elektromotorischen Kraft«
E des Harr-Effektes und der »Potentialdifferenz« e bei demselben; erstere ist
wichtig, weil sie die Stärke des Galvanometerausschlags bestimmt, letztere ist
aber principiell die einfachere und wichtigere Grósse und vom Galvanometer
ganz unabhängig; zwischen beiden besteht offenbar (vergl. Bd. III x, pag. 155)
die Beziehung
Wet 10
20,
E -—e
)
wo :2/, der Widerstand der Platte zwischen den Ablenkungsstellen und zv, der
des Galvanometers ist; es ergiebt sich hieraus der Fingerzeig, dass man, um die
Erscheinung möglichst kräftig zu erhalten, ein Galvanometer von möglichst
kleinem Widerstande nehmen muss. Im Folgenden wird es sich nur noch um
die Grösse e handeln, die man als HALL-Effekt im numerischen Sinne des Wortes
bezeichnen kann. Versteht man nun unter zZ die Stärke des primären Stromes,
unter M die des Magnetfeldes (bisher mit Æ, bezeichnet) unter 0 die Dicke der
1) Rorri, Atti R. Acc. Linc, 1882.
2) Richi, Trans. Acc. Linc. 1883; Mem. di Bol. (4) 5, pag. 103. 1883; Atti Acc. Linc. 1884,
pag. 331.
3) BiDWELL, Phil. Mag. (5) 17, pag. 250. 1884.
4) LEDUC, Compt. rend. 102, pag. 358. 1886.
5) v, ETTINGSHAUSEN u. NERNST, Wien. Ber. 94 (2) pag. 560. 1886; Rep. d. Phys. 23.
1886. — v. ETTINGSHAUSEN, Wien. Ber. 94 (2), pag. 808. 1886.
6) KUNDT, WIED. Ann. 49, pag. 257. 1893.