Theorie der Induction in geschlossenen Leitungen. 361
selben an die Gesetze des Elektromagnetismus und der Elektrodynamik an-
geschlossen zu haben, gebührt dem Königsberger Physiker F. NEUMANN 9).
Den Ausgangspunkt seiner Theorie bildet der früher angeführte Satz von
LENZ. Derselbe gab nur eine Regel, die Richtung des inducirten Stromes in
einem bewegten Drahtelement zu bestimmen. Durch sachgemässe Annahmen
verwandelt ihn NEUMANN in ein Princip von fundamentaler Bedeutung.
Denkt man sich ein Drahtstück von der Stromeinheit durchflossen und in
der Nähe eines constanten Stromes bewegt, so wirkt auf dasselbe eine elektro-
dynamische Kraft, welche (für die Lángeneinheit) mit X bezeichnet werden soll.
NEUMANN nimmt nun an, dass die hierbei in dem Element ds inducirte elektro-
motorische Kraít proportinal ist:
a) der der Bewegung entgegengerichteten Componente der elektiodynamischen
Kraft: X cos 9 ds,
b) der Geschwindigkeit «
Bezeichnet man die elektromotorische Kraft für die Lángeneinheit und Zeit-
einheit mit e, so ist hiernach:
eds: = — &K cos 8: e. ds. (1)
Aus früher mitgetheilten Versuchen folgt, dass die hier eingeführte Con-
stante & die Inductionsconstante, von dem Material der Leiter unabhängig
ist, also nur abhángt von den Einheiten, auf welche die in der Gleichung vor-
kommenden Grössen bezogen sind”).
Gehört ds einem längeren, linearen Leiter an, so ist die Stärke des
Inductionsstromes in demselben gleich der Summe aller in den einzelnen
Elementen inducirten Kräfte, dividirt durch den Gesammtwiderstand e. Setzt
man noch:
do
0-7
so ist also die in dem Zeitelement d/ em einen Querschnitt fliessende
Electricitátsmenge, der Differentialstrom (D), durch die Formel dargestellt:
di di
== > eds = — = > (K - cos 8da - ds).
Ebenso ist die in einem endlichen Zeitintervall durch die Leitung fliessende
Elektricitätsmenge, der Integralstrom (/):
41 91
€ i e f p c
J=— s joa m Z(K cos9 ds do).
Lo 90
Hält man sich an die Erfahrungsthatsache, dass es für die Stárke der In-
duction bei der Bewegung nur auf die Stárke des Kraftfeldes ankommt, dass es
also indiflerent 1st, ob dasselbe von Magneten oder von constanten Strómen
herrührt, so hat die Gleichung (1), die wir jetzt in der Form schreiben:
edsdt — — eK cos Ÿ dsds, (2)
die folgende, einfache Bedeutung:
Die inducirte, elektromotorische Kraft ist der Arbeit bei der
Verschiebung des Drahtelementes in einem Kraftfeld proportional,
wenn man sich das Element von der Stromeinheit durchflossen denkt.
1) F. NEUMANN, Allgemeine Gesetze der inducirten Strome. Abh. d. Berl. Akad. aus dem
Jahre 1845. Ueber ein allgemeines Princip der mathematischen Theorie inducirter elektrischer
Ströme. Abh. d. Berl. Akademie aus dem Jahre 1847.
?) Vergl. »Absolutes Maass elektrischer Gróssen«, Handbuch 3 (2).