Telephonie.
Technische Anwendungen der Induction.
IL. Telephonie.
A. Einleitung. Allgemeines. Historisches.
Die Entdeckung, dass man Töne und Geräusche, insbesondere auch die
menschliche Sprache mit wenig veränderter Klangfarbe in sehr grossen Ent-
ternungen reproduciren resp. hörbar machen kann, hat sehr bald eine über-
raschend grosse praktische Bedeutung erhalten. In kürzester Zeit bedeckten
sich die grösseren Städte mit einem Netz von Telephondrähten. Von Jahr zu
Jahr wächst die Bedeutung des Fernsprechers für den Geschäftsverkehr. Endlich
sind in den letzten Jahren mit Erfolg telephonische Verbindungen zwischen
Orten hergestellt worden, deren Entfernung mehr als 1000 £m beträgt.
Diese Resultate konnten nur bei Benutzung des elektrischen Stromes erreicht
werden.
Der Natur der Sache nach muss daher jede Fernsprecheinrichtung aus zwei
Apparaten bestehen (dem Sender und dem Empfänger), welche durch eine
Drahtleitung verbunden sind. Der Sender muss unter dem Einfluss des Schalls
einen elektrischen Strom hervorbringen, dessen Veränderungen durch die Natur
der Schallschwingungen bedingt sind. In dem Empfänger muss umgekehrt durch
den elektrischen Strom ein Mecharismus erregt 7
werden, welcher seinerseits Luftschwingungen er-
zeugt. J
Die erste Einrichtung, Schall (zunächst musi- f
kalische Tóne) auf gróssere Entfernungen zu über-
tragen, wurde im Jahre 1860 durch PuiriPP Rxiss!)
getroffen.
(P. 306.)
Der Sender desselben besteht aus einem Holzkáüstchen, in dessen Deckel
eine kreisfórmige Oeffnung sich befindet, welche durch eine Membran ver-
schlossen ist (Fig. 306). An derselben ist in der Mitte eine kleine kreisfórmige
Platinplatte (P) mit einem radialen Streifen Platinblech befestigt. Darüber ist
ein Winkelstück von Messing angebracht. Ein kleiner Stift S berührt nahezu
die Platinplatte. Wird die Membran durch einen Ton in Schwingungen versetzt,
so erfolgt bei jeder Schwingung ein einmaliger Contakt. In Folge dessen wird
jedesmal ein mit Platinplatte und Messingstück verbundener Stromkreis ge-
schlossen.
Der in denselben Stromkreis eingeschaltete Empfänger besteht aus einer
langgestreckten Drahtrolle mit einer Stricknadel als Eisenkern. Bei der Magne-
tisirung durch einen veránderlichen Strom erfáhrt die Nadel Verlángerungen und
Verkürzungen, welche durch zwei an den Enden befestigte Holzstücke auf einen
Resonanzkasten übertragen werden und Tóne hervorbringen, deren Hóhe mit
derjenigen des erregenden Tones übereinstiramt.
Denselben Zweck erfüllen eine Reihe von Apparaten, von VARLEY, LACOUR
und Anderen, welche gewóhnlich als Musiktelephone bezeichnet werden.
Sie waren aber sámmtlich ungeeignet, die menschliche Sprache zu übertragen.
Erst im Jahre 1875 wurde durch GRAHAM BELL ein auf wesentlich anderen
Principien beruhendes Telephon construirt, welches sofort praktisch zum Fern-
sprechen verwandt werden konnte.
1) Jahresbericht des physikalischen Vereins zu Frankfurt a. M. 1860 u. 1861.