Erklärungsversuche für die elektrischen Erscheinungen.
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Von demselben Gedanken wie WEBER ausgehend, hatte Gauss ein áhnliches
Punktgesetz gefunden, welches aber erst nach seinem Tode veröffentlicht
wurde!) Scin Gesetz steht aber mit dem Prinzip der Erhaltung der Energie
nicht in Einklang?
Ein anderes elementares Punktgesetz ist von Riemann aufgestellt worden ?),
welches ebenfalls auf der dualistischen "Theorie beruht und mit der Theorie
eines Fluidums nach Crausius (l. c.) nicht vereinbar ist. CLausivs*) hat ein
von diesem Mangel freies Grundgesetz aus den bis dahin bekannten Erfahrungen
abgeleitet, welches für die Kraft zwischen zwei Elektricitütstheilchen einen von ihrer
absoluten Geschwindigkeit im Raume abhängigen Werth giebt. Es ist das bei
jedem derartigen Gesetz, welches die unitarische Theorie anwendet, eine noth-
wendige Folge. Denn, wenn man das elektrische Fluidum mit dem Aether iden-
tificirt, so bewegt sich nach der unitarischen Theorie der Aether in einem ge-
wissen Körper gegen den übrigen, als ruhig angenommenen Aether. Absolute
Bewegung ist aber eine solche, welche auf einen im Raume festen, d. h. in dem
mit Aether angefüllten Raume festen Punkt sich bezieht. Daher muss das
CLAUSIUS’sche Gesetz und es müsste auch das der unitarischen Theorie adaptirte
WEBER’sche Gesetz die absoluten Geschwindigkeiten enthalten.
Eine Reihe von experimentellen Combinationen, durch welche man zwischen
den drei Punktgesetzen von WEBER, RIEMANN, CLAUSIUS entscheiden könnte,
hat BupDE?) angegeben. Aus seiner Untersuchung seien folgende Resultate
mitgetheilt:
Es giebt eine Anzahl von Versuchen, die zwischen den drei Grundgesetzen
zu entscheiden gestatten.
Die besten sind folgende:
a) Ladung und Entladung eines metallischen Hohlkörpers, in dem ein
Magnet an einem Coconfaden so suspendirt ist, dass seine magnetische Axe
vertikal hängt. Der Magnet erleidet nach CLAusıus keine Wirkung, nach WEBER
einen sehr schwachen, nach RIEMANN einen dreimal stürkeren rotatorischen Stoss.
b) Rotatorische Schwingungen eines móglichst grossen isolirten Magnets und
Ableitung desselben von dem Punkt, wo die Rotationsaxe seine Oberfläche
schneidet, in dem Augenblick, wo er seine Maximalgeschwindigkeit hat. Wenn
er zur Ruhe kommt, findet man ihn nach RrEMANN geladen, nach den beiden
andern Gesetzen ungeladen.
Weniger gut, aber mit ausserordentlichen Mitteln vielleicht noch erreichbar,
sind folgende Versuche:
c) Rotation einer stark elektrisirten Scheibe, wie bei dem RowrANp'schen
Versuch, wihrend ein ruhender Drahtring so befestigt ist, dass seine Medianebene
durch die Rotationsaxe geht. Nach WEBER entsteht in dem Ring ein stationärer
Strom, nach den beiden andern Gesetzen nicht.
d) Rotation eines kreisfórmigen Multiplikators, entweder in einem magne-
tischen Feld oder mit einem Commutator, der den im Ring fliessenden galva-
nischen Strom nach jeder halben Drehung umkehrt. Die Axe der Drehung ist
horizontal .zu legen, und in der Horizontalebene, welche dnrch die Axe geht,
1) Gauss Werke, Bd. V, pag. 616. 1867.
?) MAXWELL, Elektricitit und Magnetismus II, 8 852.
3) RIEMANN, Schwere, Elektricität und Magnetismus. 1876.
^) CLAUSIUS, Mechan. Wärmetheorie II, pag. 227.
5) BUDDE, WIED. Ann. 29, pag. 488. 1886; 30, pag. 100. 1887.