Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

  
6 Allgemeine Einleitung in die Astronomie. 
weil die Sonne zu diesen Zeiten in den beiden Zeichen des Krebses und Stein- 
bocks steht. 
In den beiden Tag- und Nachtgleichenpunkten sind nun zwei fest bestimmte 
Punkte in der Ekliptik und im Aequator gegeben, deren man sich zur Bestimmung 
der Lage der übrigen Punkte des Aequators und der Ekliptik bedienen kann, 
indem man die Abstünde derselben von den Aequinoctialpunkten angiebt. Man 
wühlt als Anfangspunkt dieser Abstinde das Frühlingsiquinoctium und nennt 
die, von diesem Punkte bis zu irgend einem anderen Punkte der Ekliptik in 
dieser, gemessene Strecke die Länge des Punktes, die im Aequator gemessene 
Entfernung eines Punktes vom Frühlingspunkt seine Rectascension oder gerade 
Aufsteigung. Für die Ortsbestimmung eines ausserhalb des Aequators und der 
Ekliptik gelegenen Gestirnes fällt man von demselben ein sphärisches Perpendikel 
auf die Ekliptik und nennt die Entfernung des Fusspunktes des letzteren vom 
Frühlingspunkt die Länge des Gestirns, den Abstand desselben von der Ekliptik, 
gemessen auf dem gefállten Perpendikel die Breite desselben. Desgleichen füllt 
man ein sphärisches Perpendikel von dem Gestirn auf den Aequator und nennt 
die Entfernung des Fusspunktes desselben vom Frühlingspunkt die Rectascension 
des Gestirns, den Abstand des Gestirns vom Aequator, gemessen in dem Perpen- 
dikel, die Deklination des Gestirns. Wenn zwei Gestirne dieselbe Rectascen- 
sion, aber nicht dieselbe Deklination haben, so sagt man, sie befinden sich in 
Conjunction in Rectascension. Man sagt, sie befinden sich in Opposition 
in Rectascension, wenn ihre Rectascensionen um 180? verschieden, ihr Deklina- 
tionsunterschied dabei ganz beliebig ist. Desgleichen spricht man von einer Con- 
junction. und Opposition in Länge, je nachdem die Differenz der Làngen der 
beiden Gestirne 0? oder 180? betrügt. Zwei Gestirne, welche sich in Con- 
junction in Rectascension befinden, culminiren gleichzeitig, befinden sie sich in 
Opposition in Rectascension, so culminirt das eine um 12 Stunden spáter als das 
andere. 
In den ältesten Zeiten kannte man aber die Sonnenbahn in Ermangelung 
von geeigneten Beobachtungsinstrumenten gewiss nicht als grössten Kreis, sondern 
wie schon oben erwähnt, als breites Band, während man doch mit Hilfe des 
Gnomon (s. d.) bald herausgefunden hatte, dass die grösste und kleinste Sonnen- 
höhe für einen gewissen Ort, und die Differenz der grössten und kleinsten 
Sonnenhöhe sogar für alle Orte (wenigstens im Laufe mehrerer Decennien) nahe 
constant war. Später, als man bereits näherungsweise die Sonnenbahn als 
grössten Kreis vermuthete oder kannte, wählte man für diesen den Namen 
»der Zeichentráger« oder »der Kreis, der durch die Mitte der Zeichen geht«, 
oder auch »der schiefe Kreis« und nahm ganz richtig die grósste Declination 
der Sonne (die halbe Differenz zwischen der gróssten und kleinsten Sonnenhóhe 
an demselben Ort) als Neigung des »schiefen Kreises« oder der Ekliptik gegen 
den Aequator. Nach PLiNIUS soll zuerst ANAXIMANDER D, nach PLuTARCH hingegen 
PvrHAGORAS?) die Schiefe der Ekliptik bestimmt haben. 
Noch complicirter, aber jedenfalls leichter zu erkennen ist der Lauf des 
Mondes. Schon im Laufe einer Nacht sieht man, dass er einzelne Sterngruppen 
! Ein Schüler des THALEs, 610—546 v. Chr. 
?) 580—500 v. Chr. Nach lüngeren Reisen liess er sich in Kroton in Unteritalien nieder, 
wo er bald viele Schüler und Anhänger fand, und die nach ihm benannte Schule anfänglich 
als eine Art Geheimbund begründete, welcher jedoch kurz vor seinem Tode vom Volke zer- 
sprengt und erst lange nach seinem Tode wieder reconstruirt wurde. 
EIR 
 
	        
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