Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

   
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
302 Astrophotographie. 
verschiedenen Sternwarten tüglich, wenn es die Witterung erlaubt, die Sonne 
photographirt, sodass thatsächlich die Vorgänge auf ihrer Oberfläche fortwährend 
zu verfolgen sind. Diese Sonnenphotographien haben nicht allein für die den 
Sonnenkörper selbst betreffenden Fragen Wichtigkeit, sie haben z. B. vor mehreren 
Jahren nachweisen können, dass ein einem Planeten ähnlicher Fleck auf der 
Sonne, den man damals für einen intramerkuriellen Planeten gehalten hatte, 
nur ein gewöhnlicher Sonnenfleck gewesen war. Ein weiterer Erfolg der Sonnen- 
photographie ist der erste positive Nachweis, dass die Protuberanzen dem Sonnen- 
körper selbst angehören. Zum ersten Male gelang eine solche Daguerreotypie 
bei der totalen Sonnenfinsterniss 1851 an der Königsberger Sternwarte. Der 
Photograph BARKOwsKI benutzte ein nur zweizólliges FRAUNHOFER'sches Fernrohr, 
welches mit dem grossen Heliometer fest verbunden war. Zwei Aufnahmen 
wurden gemacht, vor denen aber nur die erste bei einer Exposition von 
84 Secunden einigermaassen brauchbar war; der zweite Versuch missglückte, 
da nach 40 Secunden Belichtung die Sonne wieder hervorbrach. Natürlich 
konnte auch eine Photographie einer totalen Finsterniss, die eine Belichtung von 
84 Secunden forderte, in Folge der starken Bewegung des Mondes gegen die 
Sonne nur eine unvollkommene Vorstellung des Phänomens geben. Und nicht 
besser glückte die Aufnahme der totalen Sonnenfinsterniss in Westpoint im 
Jahre 1854. Die Finsterniss im Jahre 186c, welche viele Astronomen zu ihrer 
Beobachtung nach Spanien und Algerien zog, führte dagegen zu den vorerwähnten 
Resultaten, die Protuberanzen zeichneten sich scharf bei nur sehr kurzer Ex- 
position ab, die Corona selbst trat deutlich hervor, wenn die Belichtung länger 
war, wobel dann freilich die Protuberanzen überexponirt waren. Erst viel später 
gelang es SCHUSTER und DRAPER, das Sonnenspectrum zu photographiren. 
In den Dienst der messenden Astronomie trat die Photographie zum ersten 
Mal 1874 bei Gelegenheit des damaligen Venusvorüberganges. Die grosse 
Seltenheit des Phänomens liess auf môglichste Vervielfältigung der Beobachtungs- 
methoden Bedacht nehmen, namentlich musste man bestrebt sein, das Gelingen 
der ausgesandten Expeditionen womôglich nicht auf Beobachtung des Moments 
der ersten und letzten Berührung nach den Methoden des vorigen Jahrhunderts 
zu gründen. Die verschiedenen Messungsmethoden, ganz besonders die Heliometer- 
messungen, waren geeignet, die parallactische Verschiebung der Venus vor der 
Sonnenscheibe während des ganzen Vorüberganges ermitteln zu lassen. Eine 
Frage grösster Wichtigkeit war nun die, ob es möglich sein werde, etwaigen 
photographischen Bildern eine solche Schärfe zu geben, dass unter Anwendung 
starker Vergrösserung nachträglich auf der Platte der Abstand des Venus- und 
Sonnencentrums sich messen lassen werde und zwar mit einer Genauigkeit, die 
diese Messungen den Heliometermessungen gleichwerthig machte. Wenn sich 
dies erreichen liess, musste die photographische Methode eigentlich allen anderen 
überlegen erscheinen, da man durch sie das seltene Phänomen gleichsam fixirte 
und zu jeder späteren Zeit noch Nachmessungen vornehmen konnte. Ein anderer 
Vortheil lag noch darin, dass sich bei unbeständiger Witterung jeder klare 
Moment benutzen liess, ja dass schon eine plötzliche nur momentane Aufklärung 
durch die Herstellung eines Bildes auch zu einem Resultat führen musste, was 
bei den anderen Methoden nur beim Zusammentreffen besonders glücklicher 
Zufälligkeiten eintreten konnte. Diese Vortheile mussten natürlich auch die 
Schwierigkeiten aufwiegen, welche in der Mitnahme aller hierzu erforderlichen 
Apparate lagen, indem die Masse, der Umfang der letzteren bei weitem die der 
zu den anderen Methoden nothwendigen übertraf. Es galt aber nicht allein die 
  
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