Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

      
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
18 Allgemeine Einleitung in die Astronomie. 
immer nur bis zu einer gewissen Entfernung (der grössten Elongation) von der 
Sonne entfernen können, war hinreichend auffällig, um auf die Annahme zu 
führen, dass sich diese beiden Himmelskörper um die Sonne bewegen, hingegen 
blieb die Ruhe der Erde dabei noch unangefochten, indem die direkten Wahr- 
nehmungen für diese Annahme sprachen. Doch auch diesen Standpunkt liess 
ARISTARCH von Samos (zwischen 281—264 V. Chr.) fallen. Nach ARCHIMEDES, 
PLUTARCH und SENECA nimmt er an, dass die Sonne unbeweglich wäre, und die 
Erde sich wie die übrigen Planeten um dieselbe in einem Kreise bewege. 
ARISTARCH ist demnach als der wahre Begründer des heliocentrischen Systems 
anzusehen; doch scheint auch dieses noch keine weitere Verbreitung, vielleicht 
auch keine allgemeine Annahme gefunden zu haben, denn bald darauf sehen 
wir bei den hervorragendsten Astronomen jener Zeit wieder das geocentrische 
System adoptirt. 
ARISTARCH hatte sich auch hervorragende Verdienste um die Astronomie 
durch seine strenge, wissenschaftliche Deduction des Verhältnisses der Ent- 
fernungen von Sonne und Mond erworben, wobei er einer der ersten den Weg 
der speculativen Philosophie verliess. Er bemerkte, dass der Mond genau halb 
erleuchtet wäre, wenn er 87° von der Sonne entfernt stünde. Da nun für diesen 
Fall die Richtung der Sonnenstrahlen in der durch Sonnen-, Mond- und Erd- 
mittelpunkt gelegten Ebene senkrecht steht auf der Verbindungslinie des Erd- 
und Mondmittelpunkts, so findet er aus dem durch diese 3 Körper gebildeten, 
rechtwinkligen Dreiecke, dass die Entfernung Erde—Sonne (Hypothenuse des 
Dreiecks) mindestens 18mal grösser sei, als die Entfernung Erde—Mond (die 
kürzere Kathete) Auf demselben Wege fand ARCHIMEDES!), dass die Sonne 
30mal weiter sei als der Mond. Eine Genauigkeit ist nach dieser Methode 
natürlich nicht zu erzielen, da die Zeit der Dichotomie (halben Erleuchtung) nicht 
mit Sicherheit zu ermitteln ist. ERATOSTHENES?) (276—194 v. Chr.) giebt nach 
PruTARCH die Entfernung des Mondes von der Erde zu 780000 Stadien, diejenige 
der Sonne von der Erde 4080000 Stadien, sodass nach ihm die Sonne nur etwa 
5—6 mal weiter als der Mond würe, was gegen seine Vorgänger einen bedeutenden 
Rückschritt bezeichnen würde. Hingegen muss ERATOSTHENES als der erste be- 
zeichnet werden, der durch wirkliche Messung die Grósse der Erde festzustellen 
suchte. Er fand die grósste Hohe der Sonne zur Zeit der Sommersolstitien in 
Alexandrien gleich 7? 10' (4; des ganzen Umkreises), wáhrend die Sonne gleich- 
zeitig in Syene im Zenith gesehen wurde (durch Spiegelung im Biunnen erkannt). 
Indem nun die Entfernung der beiden Orte gleich 5000 Stadien angenommen 
wurde, folgt für den Erdumfang 250000 Stadien. Es gab aber verschiedene 
Stadien, deren genaue Länge uns nicht bekannt ist, ebenso wie wir nicht wissen, 
welche Stadien EmRATOsTHENES gemeint hat; daher bleibt diese Messung der 
Grösse der Erde für uns an sich unbestimmt. 
War es bis dahin einzelnen Forschern gelungen, auf inductivem Wege 
Resultate zu erhalten, welche für den Fortschritt der Astronomie von nicht zu 
unterschätzender Bedeutung waren, so tritt uns nunmehr ein Mann entgegen, der 
für sich allein mindestens ebensoviel leistete, wie alle seine Vorgänger zusammen, 
und der durch seine ausserordentliche Begabung Resultate erzielte, welche alle 
) Er wurde 287 v. Chr. zu Syracus geboren, und 212 v. Chr. bei der Einnahme dieser 
Stadt durch die Rómer von einem Soldaten getódtet. 
2) Geboren 276 v. Chr. zu Cyrene in Afrika, wurde er von PTOLEMAUS PHILADELPHUS nach 
Alexandrien berufen, wo er bis zu seinem 194 v. Chr. erfolgten Tode wirkte. 
  
  
  
 
	        
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