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Astrospectroskopie. 421
das Verhalten zweier Magnesiumlinien in den Sternspectren einigen Aufschluss.
Die eine derselben (Wellenlànge 448:2 pq) ist nach Untersuchungen von LIVEING
und DEWAR sowie nach solchen von SCHEINER im Spectrum des frei brennenden
Magnesiums sowie in dem des Dampfes desselben im elektrischen Bogenlicht
nicht sichtbar, dagegen breit und intensiv im Funkenspectrum, während die
andere (435:2 np) das gerade umgekehrte Verhalten zeigt, indem sie im Funken-
spectrum nur schwer oder gar nicht zu erkennen ist, dagegen kräftig und breit
im Magnesiumspectrum des Bogenlichtes erscheint. Von diesen beiden Magnesium-
linien ist die erstere in allen Spectren der LI. Klasse breit und deutlich zu er-
kennen, ja sie wetteifert in einigen derselben an Breite mit den Wasserstofflinien,
wührend sie in den Spectren der Klasse IIa, also auch im Sonnenspectrum,
schwach, ja in Spectren, die sich der Klasse III náhern, überhaupt nicht mehr
zu erkennen ist. Die Linie 4352 pp dagegen ist in den Spectren der Klasse Ia
überhaupt nicht zu finden, in denen der Klasse Ib aber schon schwach vor-
handen; in Klasse IIa gehórt sie zu den hervorragenderen Linien und ist end-
lich im Spectrum von « Orionis (Klasse IIIa) eine der stürksten. Also während
Linie 448:2 up. von den Spectren von Klasse Ia ab allmählich bis zum völligen
Verschwinden in Klasse III abnimmt an Breite und Deutlichkeit, nimmt die von
Linie 435:2 up. ungefáhr im gleichen Verháltniss zu. Dieses eigenthümliche Ver-
halten kann nur durch verschieden hohe Temperaturen erklärt werden, denn bei
Zunahme des Druckes kann nach dem KircHHorr'schen Gesetz eine Linie nur
breiter und deutlicher werden, aber nie schwächer und schmäler, was bei ge-
steigerter Temperatur sehr wohl der Fall sein kann. SCHEINER schliesst daraus,
dass die Temperatur in der Photosphäre der Sterne der Klasse Ia etwa die
Temperatur des elektrischen Funkens, deren obere Grenze bei 15000? liegt, hat,
dann bei den Sternen der folgenden Spectralklassen abnimmt und bei denen
der Klasse IIIa nur noch gleich der des elektrischen Bogens, also etwa 3000?
bis 4000?, ist; für die Sterne der Klasse IIa, also auch für die Sonne, würde
die Photosphárentemperatur etwa in der Mitte zwischen diesen beiden Grenz-
werthen liegen. Diese ganze Ueberlegung will J. E. KEELER auf die aus drei
Magnesiumlinien bestehende 4-Gruppe ausdehnen, welche sich dhnlich wie die
Magnesiumlinie 435:2 up verhält, nur dass sie in den Spectren der Klasse I nicht
ganz zu verschwinden scheint (KEELER hat ihr Fehlen bisher nur bei f Orionis
(Ib) nachweisen kónnen) aber doch nur sehr schwach noch vorhanden ist.
Nun ist aber diese 2-Gruppe auch im Funkenspectrum des Magnesiums noch gut
zu sehen; wenn sie also in einem Sternspectrum fehlt oder wenigstens sehr
schwach ist, so würde das auf eine Photosphárentemperatur bei diesem Himmels-
kórper deuten, welche die des elektrischen Funkens und damit alle künstlich
herstellbaren Temperaturen, also auch die oben angegebene Grenze von 15000?
übersteigt. Diese Angabe von KxELER schiebt also nur die obere Temperatur-
grenze hinaus, schliesst sich aber sonst dem SCHEINER'schen Raisonnement im
Princip vollkommen an. In diesem letzteren darf man aber doch wohl einen
direkten Beweis für die Richtigkeit der physikalischen Deutung der VocEr'schen
Spectralklassen erblicken.
Es würde sich nun fragen, ob alle bisher beobachteten Sternspectren sich in
die VocEr'sche Eintheilung rubriciren lassen, und diese Frage darf, wenn man
Uebergánge aus einer Klasse in die andre gelten làsst und rasche Aenderungen
im Spectrum, wie sie die neuen und die veránderlichen Sterne aufweisen, nicht
alle einzeln aufführt, bejaht werden. Ueber die Spectren der zuletzt genannten
Sternarten mógen hier noch einige Bemerkungen Platz finden.