Bahnbestimmung der Planeten und Kometen.
Bahnbestimmung der Planeten und Kometen. Unter Bahn-
bestimmung versteht man wenigstens im modernen Sinne das Verfahren, die Bahn
eines Himmelskörpers aus einer ganz beschränkten Anzahl von Beobachtungen
in einem Kegelschnitte zu bestimmen. In dieser eingeschränkten Bedeutung des
Wortes beginnt die Geschichte des Problemes mit dem Erscheinen von J. NEwTON’s
» Philosophiae naturalis principia mathematica«, worin zum ersten Male die Aufgabe
gelöst ist, die parabolische Bahn eines Kometen aus nur drei geocentrischen
Beobachtungen zu bestimmen. Seit dieser Zeit haben sich die Mathematiker und
Astronomen des 18. und 19. Jahrhunderts mit dem Bahnbestimmungsprobleme
beschäftigt, und der Beweis tür die Beliebtheit, deren sich diese Aufgabe erfreute,
wie nicht minder der Schwierigkeit, welche sie darbot, liegt in den Namen eines
LAMBERT, LAPLACE, LEGENDRE u. a., welche nur bis zu einer gewissen Grenze
wirklich praktisch brauchbare Auflösungen der Bahnbestimmung zu liefern ver-
mochten. Naturgemäss muss ich daher an dieser Stelle verzichten, eine wenn
auch nur summarische Uebersicht über die historische Entwickelung des Bahn-
bestimmungsproblemes zu geben, da selbst die blosse Anführung der Titel der
einzelnen Abhandlungen einen bedeutenden Raum in Anspruch nehmen würde,
ganz abgesehen davon, dass selbst die verlässlichsten Bibliographien den Gegen-
stand keineswegs erschöpfen. Ich begnüge mich daher hier anzuführen, dass die
Bahnbestimmung in der Parabel durch W. OLBERS’ klassische »Abhandlung über
die leichteste und bequemste Methode, die Bahn eines Kometen zu berechnen«
(Weimar 1797) ihren Abschluss fand. Dem Verdienste, welches sich OrBERS
durch seine Arbeit erwarb, wird dadurch gewiss kein Eintrag gethan, dass, wie
W. FABRITIUS in einem Aufsatze »Du Sijour und OLBERS« Astronomische Nach-
richten No. 2526 (1883) nachwies, die Methode von OrsEnRs schon in den
Memoiren der Pariser Akademie durch Dtonys DU SEJOUR im Jahre 1779 ent-
wickelt wurde. So gerne wir die Priorität dieses berühmten tranzösischen Astro-
nomen anerkennen, was die Thatsache selbst betrifit, so wenig können wir
seine Darstellung auch nur annähernd mit der klaren und lichtvollen Art ver-
gleichen, die OLBERS in seiner Abhandlung anwandte, indem er die Schwierig-
keiten der analytischen Auflösung in das rechte Licht setzte und die Grund-
gleichungen des Problemes in ihrer einfachsten Form an die Spitze seiner
Abhandlung stellte.
Was Orszns für die parabolische Kometentheorie, das hat Gauss in seinem
klassischen Werke »Theoria motus corporum celestium. . Hamburgi 1809« für
jede Kegelschnittslinie als Bahncurve geleistet. Wer sich jemals die Mühe nimmt,
Gauss' Referat in der Monatlichen Correspondenz Bd. 20 (September 1:809)
»Summarische Uebersicht der zur Bestimmung der Bahnen der beiden neuen Haupt-
planeten. angewandten Methoden« mit Aufmerksamkeit durchzustudiren, wird
einen bedeutenden Fortschritt in den Methoden der Theoria motus erkennen,
und so nur ist es zu verstehen, dass die Bahnbestimmungsarten von OraERS und
Gauss heute noch nach fast hundertjáhrigem Gebrauche in der Praxis so zu sagen
ihre Jugendfrische bewahrten, und dass man auch heute noch besonders diese
Werke dem Studium des angehenden Astronomen empfiehlt. Langjährige
praktische Beschäftigung mit dem Gegenstande, wie nicht minder theoretische
Studien, liessen mich manchmal für diese oder jene der neueren Methoden
Vorliebe gewinnen; hier aber, wo es meine Aufgabe ist, die Grundprincipien
des Bahnbestimmungsproblemes zu erörtern, fühle ich mich gedrängt, jene zwei
klassischen Werke zur Grundlage meiner Darstellung zu nehmen.