Das Chronometer, 651
meistens eine sich über Jahre erstreckende Acceleration hervorrufen und weil
derartige Federn leichter zum Brechen neigen.
Endlich sind hier noch die Wirkungen zu berücksichtigen, welche durch
die mit der Zeit eintretenden Veränderungen in der Beschaffenheit des Oeles
auf den Gang des Instrumentes ausgeübt werden. Hierbei kommt in erster Linie
das Oel in Betracht, welches als Schmiermittel der Unruhzapfen dient. Wenn
sich altes, durch metallische Beimengungen verunreinigtes oder durch den Sauer-
stoff der Luft angegriffenes oder verdicktes (»verharztes«) Oel im Zapfenloche
befindet, so wird der Reibungswiderstand vergrössert und die Amplitude der
Unruhe verringert werden. Nun sind, wie wir früher gesehen haben, die Chrono-
meter meistens nicht vollkommen isochron, sondern der Art regulirt, dass die
kleinen Schwingungen ein wenig schneller als die grossen ausgeführt werden.
Wenn also in Folge der Verdickung des Oeles die Unruhe im Laufe der Zeit
zu kleineren Schwingungen übergebt, so tritt ein Voreilen im Gange ein. Diese
Wirkung wird in den meisten Füllen den verzógernden Einfluss, welcher sich
aus der vermehrten Zapfenreibung ergiebt, noch wesentlich übertreffen. Die
háufig gemachte Beobachtung, dass Chronometer, welche mehrere Jahre hindurch
ohne Erneuerung des Oeles benutzt wurden, einen stark voreilenden Gang zeigen,
ist in den meisten Fällen auf diesen Umstand zurückzuführen,
Wie die Erfahrung lehrt, nimmt die Verdickung des Chronometeröls sehr
schnell zu, wenn sich das Instrument in sehr trockener Luft befindet, d. h. wenn
die atmosphárische Feuchtigkeit unter 4092 sinkt. Auch das Aussehen des Oeles
ändert sich unter solchen Verháltnissen sehr bald: einige Oelsorten nehmen
eine bräunliche bis tiefbraune, andere eine grüne Fárbung an. Vielleicht ist
das Auftreten der letzteren Fárbung, welche man besonders in den Zapfíenlóchern
des Ráderwerkes bemerkt, dem Umstande zuzuschreiben, dass diese Oelsorten
von vorne herein nicht vollkommen sáurefrei sind oder in Folge fortschreitender
Zersetzung sáurehaltig werden, in diesem Zustande die Messingtheile etwas
angreifen und durch die metallischen Beimengungen dann eine grüne Fárbung
erhalten.
Aus den bisherigen Darlegungen ergiebt sich die Erkenntniss, dass man nur
dann von einem Chronometer ein regelmássiges Verhalten erwarten darf, wenn
es gelingt, die Einwirkung der vielen gangstórenden Ursachen ternzuhalten oder
wenigstens bedeutend abzuschwidchen. Es sollen deshalb im Folgenden die
Vorschriften für eine zweckmüssige Behandlung des Chronometers gegeben
werden.
Da die Veránderungen der Temperatur und hohe Feuchtigkeiten, wie wir
gesehen haben, sehr bedeutende gangstórende Wirkungen ausüben, so ist es in
erster Linie wichtig, einen solchen Aufbewahrungsort für das Instrument zu
wählen, an welchen stets eine móglichst constante Temperatur (etwa 15?—20? C.)
und ein mittlerer Feuchtigkeitsgrad (etwa 509—602) herrschen. Man wird wohl
in den meisten Fillen das Chronometer in einem geschlossenen Schranke auf-
bewahren, es muss dann dafiir Sorge getragen werden, dass das Instrument beim
Oeffnen der Schrankthiir sowie der Zimmerthiiren keine Erschiitterungen erleidet.
Ist man gezwungen, das Chronometer frei aufzustellen, so lässt man es am
besten in seinem Ueberkasten und schützt es während der Nacht durch Ueber-
breiten einer trockenen Wolldecke. Letztere Vorsicht ist besonders während
des Aufenthaltes in den Tropen zu empfehlen. Das Gehäuse des Chronometers
soll bei einer festen Aufstellung stets frei in der cardanischen Aufhängung
schweben; es ist aber sehr wichtig, dass nach jedem Gebrauche sowie nach