Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

  
  
  
    
    
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
    
  
  
  
  
  
   
    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
     
Doppelsterne. 
Doppelsterne. Einen physischen Doppelstern bilden zwei Sterne, 
wenn ihre gegenseitige Entfernung so klein ist, dass die Einwirkung der übrigen 
Fixsterne auf ihre relative Bewegung vernachlässigt oder wenigstens als neben- 
sächlich betrachtet werden darf. Stehen zwei Sterne nur scheinbar in grosser 
Nähe bei einander, so entsteht ein optischer Doppelstern. Das Vorkommen 
eines solchen ist den Gesetzen des Zufalls unterworfen, und es ist deshalb eine 
wohl definirte mathematische Aufgabe, die zu erwartende Anzahl optischer 
Doppelsterne von gegebenem scheinbaren Abstand zu berechnen, wenn Anzahl 
und Vertheilung der Sterne im Raume bekannt sind. Da eine strenge Lósung 
dieser Aufgabe nicht vorliegt, entbehren die gewóhnlich angeführten Angaben 
über die zu erwartende Anzahl von optischen Doppelsternen der genügend 
sicheren Grundlage. Leicht kann man sich aber davon überzeugen, dass die 
Anzahl hellerer optischer Doppelsterne von kleiner Distanz nicht bedeutend sein 
kann, und in diesem Sinne kann man in der That behaupten, dass die Compo- 
nenten der überwiegenden Mehrzahl der vielen bekannten Doppelsterne nach 
den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit physisch mit einander verbunden sein 
werden. Man hat, zum Theil aus áusserlichen Gründen, nach dem Vorgange 
von W. SrRUvE, als Maximaldistanz eines Doppelsternes im engeren Sinne 32" 
festgesetzt. In der That werden der Hauptsache nach die Systeme mit schnellerer 
Revolutionsbewegung hierdurch umgrenzt. 
Dass die Entdeckung zahlreicher engerer Doppelsterne einer mit optischen 
Hilfsmitteln besser ausgerüsteten Zeit vorbehalten bleiben musste, ist selbst- 
verständlich.  Indessen sind vereinzelt schon sehr frühe Doppelsterne aufge- 
funden worden. So z. B. a Centauri von FEUILLÉE im Jahre 1709, 7 Virginis, 
Castor, 61 Cygni von BRADLEY etc. Dass dies aber nicht vereinzelte Fälle seien, 
dass vielmehr eine grössere Anzahl von Doppelsternen am Himmel existiren, 
hat zuerst CHRISTIAN Maver, Hofastronom in Mannheim, gezeigt. Er suchte 
nicht nur nach solchen Objecten, sondern bestimmte auch die Rectascensions- 
und Deklinationsdifferenzen der beiden Componenten mit einem 8füssigen BIRD- 
schen Mauerquadranten. Diese Thatsache kann nicht verdunkelt werden durch 
die nicht ganz einwandsfreien Bemerkungen, welche die erste Publikation 
MavER's!) über diesen Gegenstand enthält und die zu Missverstándnissen Anlass 
gebende von ihm gebrauchte Bezeichnung »Fixsterntrabanten«. Die Astronomen 
standen übrigens den MavER'schen Entdeckungen nicht gleichgültig gegenüber, 
was aus dem Umstand hervorgeht, dass im Berliner Jahrbuch für 1784, das im 
Jahre 1781 erschien, ein »Verzeichniss aller bisher entdeckten Doppeltsterne«, 
die »fast alle. von Herrn Hofastronomen Maver auf der Churfürstlichen Stern- 
warte zu Mannheim zuerst beobachtet worden sind«, abgedruckt ist. Dieses 
Verzeichniss enthàlt 79 Doppelsterne, und zwar zum gróssten Theile begreiflicher- 
weise sehr weite (bis 72" Distanz). Es scheint sowohl MavEm, als auch dem 
Herausgeber des Jahrbuches BopE sehr fern gelegen zu sein, diese oder auch 
nur einen Theil dieser Doppelsterne als physische zu betrachten, denn es wird 
das astronomische Interesse an solchen Systemen ausdrücklich darin gefunden, 
dass die fortschreitende relative Eigenbewegung der beiden Fixsterne in Folge 
ihres scheinbaren Nebeneinanderstehens leichter bemerkt und genauer bestimmt 
werden kónne, was offenbar nur bei optischen Doppelsternen einen Sinn hat. 
Von nicht wesentlich anderen Gedanken wurde W. HkRSCHEL bei seinen ersten 
1) Griindliche Vertheidigung neuer Beobachtungen von Fixsterntrabanten etc. 8°, Mann- 
heim 1778.
	        
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