676 Doppelsterne.
Sterne. Die Anwendung der Spectralanalyse wird auch in dieser Frage mit der
Zeit Klarheit schaffen, da die Feststellung der für die Gesammtfarbe maassgebenden
Zusammensetzung des Spectrums nicht subjectivem Urtheile preisgegeben ist.
An sich ist nicht unwahrscheinlich, dass die Componenten der Doppelsterne
sich häufig in sehr verschiedenen Stadien der Abkühlung befinden müssen
Dann werden ihre Spectren verschieden sein und in Folge dessen auch ihre
Färbung.
Von der grössten Bedeutung für die Astronomie wurden die Doppelstern-
messungen, als sie anfıngen, deutlich Revolutionsbewegungen zu enthüllen, und
als es mit ihrer Hilfe gelang, die Einsicht zu erlangen, dass diese, ebenso wie
alle Bewegungen im Planetensystem, durch die Folgerungen des allgemeinen
Attractionsgesetzes dargestellt werden können. Die Aufgabe, aus den gemessenen
Positionswinkeln und Distanzen die Elemente einer Doppelsternbahn abzuleiten,
wurde auf Anregung von Seite ARAGO’s zuerst von dem leider früh verstorbenen
FELIX SavaRv!) und zwar in durchaus correkter Weise gelóst. Denselben Gegen-
stand hat spüter ENCKE?) behandelt, ohne indessen, ausser in weniger belang-
reichen Dingen, die SAvaRv'sche Lósung zu überholen. Von den zum Theil
primitiven graphischen Methoden J. HERSCHEL’s?) und den Vorschriften, welche
Y. VILLARCEAU?) im Anschluss an die in der Mécanique céleste zur Berechnung
einer Planetenbahn gegebenen entwickelt hat, darf wohl behauptet werden, dass
sie einen Fortschritt in dem vorliegenden Thema nicht gebildet haben. Dagegen
hat J. HERSCHEL?) und unabhängig von ihm, wenn auch Jahrzehnte später,
VILLARCEAU®) eine Methode entwickelt, die in den meisten Fällen in grosser
Kürze und mit Sicherheit die Berechnung einer Doppelsternbahn, auszuführen
erlaubt. Der Grundgedanke dieser Methode kommt im Folgenden zu kurzer
Auseinandersetzung und führt in der elementarsten und einfachsten Weise zu
äusserst leicht ausführbaren Rechenvorschriften. In neuerer Zeit hat das Problem
durch KLINCKERFUES”) und THIELE*) beachtenswerthe Lôsungen erfahren, die auch
in der Praxis von Wichtigkeit werden kônnen.
Von besonderem Interesse ist die Frage, ob die beobachteten Bahnbewegungen
der Doppelsterne einen direkten Beweis für die Gültigkeit des NEwToN’schen
Gravitationsgesetzes auch in jenen abgelegenen Fixsternráumen enthalten. Dass
letzteres den Beobachtungen genügt, ist schon oben als bestätigt erwähnt worden.
Die Untersuchung, ob kein anderes Gesetz dieselbe scheinbare Wirkung hat,
gestaltet sich ganz anders, als bei den Planetenbewegungen, weil hier die
Beobachtungen nur über die Ortsveränderungen in der auf der Gesichtslinie
senkrechten Ebene Aufschluss geben und über die Bewegung im Visionsradius
gar nichts aussagen. Die Aufgabe führt auf ein interessantes, mathematisches
Problem. Dasselbe, von BERTRAND®) zuerst formulirt, wurde vollkommen gelöst
von DarBoux und HarPHÉN und im Anschluss an den letzteren in sehr
*) Connaissance des temps für 1830. Addit.
?) Berliner Astronomisches Jahrbuch für 1832.
3) Memoirs of the R. Astr. Society, London, Band 5.
4) Connaiss. d. t. für 1852 add.
5) Memoirs of the R. Astr. Society, London, Band 18.
6) Connaiss. d. t. für 1877 add.
?) Theoretische Astronomie, Braunschweig 1877. Auch Astr. Nachr. No. 990.
8) Astr. Nachr., Band 104.
9) Compt. rend., Band 84.
10) Ebenda.