Das Fernrohr. 701
Fin Exemplar des neuen Instrumentes brachte PETER SCHOLIERS!) nach
Venedig, von da nach Rom. In Venedig hórte GaLiLEI?) damals Professor in
Pisa, von ihm und seinen wunderbaren Leistungen, und es gelang ihm, obwohl
er über seine Einrichtung nicbts erfahren hatte, durch eine Ueberlegung, deren
Gang er uns aufbewahrt hat, den Apparat von Neuem zu erfinden, mit dem er
in der Folgezeit seine grossen Entdeckungen am Himmel machen sollte. Sein
bestes Fernrohr wies, wie er 1610 an KEPLER schrieb, eine 1000malige Ver-
grósserung auf?) Für Beobachtungszwecke ist freilich das GALILEI sche Fernrohr
jetzt durch das KepLER'che ‘oder astronomische verdringt, welches, wie. die
der hineinfallenden Strahlen darstellende Fig. 168 zeigt, aus zwei
Sammellinsen besteht, deren eine das von der anderen entworfene reelle, aber
umgekehrte Bild ver- :
den Gang
grôssert. KEPLER
kam durch ein- i
gehende dioptrische d m Te
Studien, ; die. ihn... Eum
noch auf mehrere RR EUN.
andere als Fernrohre
brauchbare Linsen- (À. 168.)
combinationen führ-
ten, auf seine Construction, scheint einen derartigen Apparat aber nicht selbst
hergestellt zu haben, obwohl er früher ein GALILETsches Fernrohr sich gebaut
hatte*). So war der Jesuitenpater SCHEINER®) der erste, welcher gegen 1613 das
erste astronomische Fernrohr anfertigte und auch schon zur objectiven Darstellung
des Sonnenbildes benutzte, der Pater ScHvRLAEUSÜ) im Kloster Rheit (de Rheita)
aber führte mit geringer Aenderung — er nahm vier statt dreier Linsen —
einen anderen Vorschlag KrPLER's zur Herstellung des terrestrischen oder
Erdfernrohres aus. :
Das astronomische Fernrohr verdringte bald das GALILEI'sche, wenn es sich
auch in verschiedener Hinsicht verbesserungsbediirftig, aber auch als verbesserungs-
fähig erwies. Da der Vorschlag des CarTEsius?), die bei Anwendung einer
Kugel von zu kleinem Radius entstehenden Verzerrungen des Bildes dadurch
zu vermeiden, dass man nach parabolischen oder elliptischen Flächen gekrümmte
Linsen herstellte, sich als unausführbar erwies, so blieb nichts übrig, als jene
durch Anwendung grosser Radien der sphärischen Linsen möglichst klein zu
machen. Noch vorhandene Linsen des als Mathematiker so tüchtigen Grafen
TTSCHIRNHAUS, des Hofmathematikus des Kurfürsten von der Pfalz, HARTSOEKERS?)
u. A. zeigen, bis zu welchen riesenhaften Abmessungen man gelangte, aber alle
Mühe war vergebens, Schlieren und Glasfáden machten die gewaltigen Glas-
1) HuvGENs, Oeuvres complétes. Bd. 2. La Haye 1889, pag. 490.
?) GALILEI, Il Saggiatore, ALBÈRI Opere complete di GALILEO GALILEI, Bd. 4, pag. 288;
Uebersetzt in BIEDERMANN's Bericht über die Ausstellung wissenschaftlicher Apparate im South
Kensington Museum zu London 1876. London 1877, pag. 408.
3) ALBERI, Opere etc. di GALILEI, Bd. 6, pag. 116.
4) ALBERI, Opere etc. di GALILEI, Bd. 8, pag. 92.
5) SCHEINER, Rosa ursina. Bracciani 1626— 1630.
6) ScHYRLAEUS, Oculus Enoch et Elisae sive Radius sidereo-mysticus. Antverp. 1645.
7) CARTESIUS, a. a. O.
8) CosTER u. GERLAND, Beschreibung der Sammlung astronomischer, geodátischer und
physikalischer Apparate im Königl. Museum zu Kassel, 1878, pag. 44-
VALENTINER, Astronomie, 1. 45