Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

  
720 Das Fernrohr: 
des Fernrohres, ohne dass man nöthig hat, seine Fundamentalpunkte aufzusuchen.. 
Sie liegen immer in grosser Entfernung von dem Apparate. Da das Ocular in 
einem besonderen Rohre befestigt ist und sich durch Zahnstange und Trieb mit 
diesem in dem das Objectiv haltenden Rohre etwas hin- und herschieben lässt, so 
ist es namentlich môglich, die Lage des ersten Brennpunktes zu ändern und die 
Strahlen convergent, divergent oder parallel austreten zu lassen, in welchem 
letzten Falle das Linsensystem ein teleskopisches heisst. Die verschiedene 
Bildung, welche die Augen der Beobachter haben kônnen, zwang zur Einführung 
dieser Veránderlichkeit der Brennweite. Sie kónnen normalsichtige (emmetropische), 
kurzsichtige (myopische) und übersichtige (hypermetropische) sein, je nachdem 
bei sonst gleichen Verhältnissen die Linse stärker oder weniger stark gekrümmt 
ist. Bei dem emmetropischen Auge ist diese Krümmung eine solche, dass 
parallel eintretende Strahlen ohne Accommodation auf dem empfindlichen 
Augenhintergrund, der Netzhaut, in einem Punkte vereinigt werden. In solchem 
Falle aber vereinigt das kurzsichtige Auge ein wenig divergirende, das über- 
sichtige etwas convergirende Strahlen daselbst. Um einen Stern scharf zu sehen, 
muss für jenes das Ocular also herausgezogen, für dieses hineingeschoben werden. 
Um das Fernrohr zu Messungen zu verwenden, bringt man im Brenn- 
punkte seines Objectivs ein Netz von Spinnfäden oder von feinen, mit 
dem Diamant auf eine Glasplatte gezogenen Linien, das Faden- 
mikrometer, an, welches zugleich mit dem Bild scharf gesehen wird. Die 
Verbindungslinie seiner Mitte mit dem Austrittspunkte des die Mitte des Objects 
treffenden Strahles aus dessen zweiter Hauptebene heisst die optische Axe 
des Fernrohres. Fällt dieselbe auch nicht mit der geometrischen Axe des 
Rohres zusammen, so kann das Instrument doch zu Messungen benutzt werden, 
wenn sie nur ihre Lage auch bei geringen Verschiebungen des Objectivs beibehält. 
Bei Anwendung des RAwspEN'schen Oculars kann somit das eingestellte Faden 
mikrometer seinen Platz ein für allemal behalten, bei dem HuvGENS'schen muss 
es nach jeder Verstellung des Oculars wieder berichtigt werden. Obwohl dies 
beschwerlich ist, so hat doch HuvcENs!) selbst das Mikrometer in Form eines 
keilfórmigen Blüttchens zur Messung der Planetendurchmesser als der erste 
angewendet, gegenwártig bedient man sich für solche Zwecke lieber des RAMSDEN- 
schen Oculars. 
Sphärische Aberration. Wir setzten bisher voraus, dass die Scheitel- 
tangentenebene der Linse mit der brechenden Fläche zusammenfiele, ihre 
Oeffnung also nur eine sehr kleine sei. Andererseits nahmen wir an, dass die 
sámmtlichen einfallenden Strahlen den ndmlichen Brechungscoéfficienten hátten. 
Beides ist in den Anwendungen nur unvollkommen verwirklicht; vielmehr hat 
die Oeffnung eine nicht zu vernachlässigende Grôsse und besteht das weisse, in 
das Fernrohr fallende Licht aus Strahlen der verschiedensten Brechbarkeit. Die 
erhaltenen Ergebnisse sind demnach zu erweitern, und wir beschäftigen uns zu- 
nächst mit den wegen der Kugelgestalt nothwendigen Abänderungen. 
Die auf eine Linse von grösserer Oeffnung parallel auffallenden Strahlen 
einfarbigen Lichtes treffen sich nicht alle in einem Punkte der Axe, vielmehr 
giebt der Schnitt des sie einhüllenden Conoids mit einer die Axe aufnehmenden 
1!) HuvGENS, Systema Saturnium. Hagae Comitum 1659. Siehe opera varia 2, Lugd. 
Bat. 1724, pag. 594. — AUZOUTS, Traité du micromètre erschien 1667 in Paris, Vergl. WOLF, 
Geschichte der Astronomie, München 1877, pag. 363, der GASCOIGNE die Erfindung des Mikro- 
meters zuschreibt, ohne jedoch Belegstellen anzuführen. 
 
	        
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