722 Das Fernrohr.
Strahlen in den äusseren Theilen des Bildes vermehrt, in den inneren vermindert
werden, wodurch die Wirkung der an der Abbildung theilnehmenden lediglich
abgeschwächt werde. Auch zeigte Czapskil), welche Schwierigkeiten dieser Weg
biete, da, wenn man ihn einschligt, die Interferenz und Beugung der Licht-
wellen mit in Betracht gezogen werden miisse.
Auf der anderen Seite aber macht Czapski?) darauf aufmerksam, dass die
beschränkte Schirfe des Auges eine so vollkommene Correction überflüssig
macht, und wir deshalb gezwungen sind, ein Ausgleichungsverfahren anzuwenden,
welches darin besteht, den Bildfehler innerhalb eines bestimmten Gebietes
möglichst klein zu machen. Dabei kommt es uns beim Fernrohr sehr zu statten,
dass dieser Fehler in ihm weitaus geringer ist, wie z. B. im Mikroskop, und es
ist in der That längst gelungen, Objective herzustellen, welche in den erforder-
lichen Grenzen aplanatisch sind. Im Ocular aber bringt man ihn durch die
Anwendung zweier Linsen auf einen nicht mehr störenden Werth herab.
Die Länge der sphärischen Aberration ist vielfach berechnet worden. Man
drückt sie am Besten durch eine Reihe aus, die nach den geraden Potenzen des
Sinus des Winkels (oder des Winkels selbst), den der aus dem Mittelpunkte der
vorderen Linsenfläche nach dem Einfallspunkt gezogene Halbmesser mit der
Axe bildet, fortschreitet unter Vernachlässigung dieser Potenzen von der vierten an.
Bestimmt man dann den Coëfficienten des ersten Gliedes, so lassen sich Linsen-
formen mit kleiner oder geringer sphärischer Aberration auf der Axe berechnen?).
Da diese Rechnungen zeitraubend sind, so hat bereits HERSCHEL eine Tafel her-
gestellt, die PREcHTL4) mit den sich daraus ergebenden Linsenformen mittheilte,
welche für die Brechungsverháltnisse verschiedener Glassorten das beste Ver-
háltniss der Krümmungsradien finden lásst. Die von ihnen angegebenen Linsen-
formen stimmen mit den FRAUNHOFER'schen Achromaten (überein?) Die
Krümmungen der Fláchen werden dabei nicht gross, und da sich die der áusseren
Flüchen eines Doppelobjectivs, von gegebener Brennweite für die verschiedenen
bei denselben vorkommenden Brechungsverháltnisse innerhalb enger Grenzen
halten, so konnte HxnscnuEer die Regel aufstellen, dass ein solches Objectiv sehr
nahe aplanatisch ist, wenn der Halbmesser der äusseren Fläche der Crownglas-
linse = 6:72, der der Flintglaslinse = 14:2 für eine Gesammtbrennweite — 10
gemacht und die Krümmungshalbmesser der inneren Fláchen so berechnet
werden, dass die Brennweiten der zugehórigen Linsen ihren Brechungsverháltnissen
proportional sind.
Nun hat aber Gauss5) ein Ausgleichsverfahren angegeben, bei welchem
weniger Gewicht auf das Bild gelegt wird, welches sehr nahe bei der Axe auf-
fallende Strahlen erzeugen, als darauf, dass die Strahlen von den der Peripherie
niheren Ringen des Objectivs unter sich besser zusammengehalten werden. Um
die nóthige Rechnung durchzuführen, denkt sich GAvss eine zur Axe senkrechte
7) CzarsKr Bemerkungen zu VON HoEGH's Arbeit in Zeitschr. f. Instrumentenkunde, 1888,
8, pag. 203.
2) Czarski Handbuch der Physik etc., 3 Bd., 1. Abth., pag. II! ff.
3) SCHMIDT, Lehrbuch der analytischen Optik, herausg. von GOLDSCHMIDT, Göttingen 1834,
pag. 465, vergl auch DirPEL, Grundzüge der allgemeinen Mikroskopie, Braunschw. 1885,
pag. 25.
4) PRECHTL, Praktische Dioptrik, Wien 1828, pag. 79.
5) SArARIK, Vierteljahrsschr. der astronom. Gesellschaft. 17. Jahrg. Leipz. 1882.
6) Gauss, Brief an BRANDES. GEBLER’s physikal. Worterbuch. Leipz. 1831, 6, pag. 437.
Gesammelte Werke, 5, pag. 500.