Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

  
54 Allgemeine Einleitung in die Astronomie. 
flusst waren, an wissenschaftlichem Werthe gleichzustellen sind jenen alten 
Werken, welche in anderen Klosterzellen von fanatischeren Mönchen zerstört 
wurden, indem alte Pergamente abgeschabt wurden, um Platz für Klostergesänge 
zu gewinnen. 
Noch einmal wurde der beginnende Fortschritt in seinem Keime erstickt, 
als die grosse Bewegung der Kreuzzüge das rauhe, kriegerische Handwerk in 
den Vordergrund drängte und den Sinn für die Wissenschaft eindämmte, und 
als um dieselbe Zeit die in Europa nach einander auftretenden verheerenden 
Krankheiten (das heilige Feuer, die orientalische Pest, der Aussatz, der schwarze 
Tod) die blühendsten Gegenden in menschenleere Wüsten, die civilisirtesten 
Linder in Wildnisse verwandelten. Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts finden 
wir kein auch nur nennenswerthes astronomisches Werk, hingegen ein máchtiges 
Emporblühen der Astrologie, der Sterndeutekunst, an deren Vorhersagungen 
sich die vom Unglück gebeugten und durch religiósen Fanatismus abergläubisch 
gemachten Menschen klammerten. 
Nur ein bedeutendes Werk — allerdings aus Spanien hervorgegangen — 
welches man vielleicht als das letzte grosse praktische Werk in der Epicyklen- 
theorie, und als das letzte grosse Werk der maurischen Schule bezeichnen kann, 
haben wir aus jener Zeit zu nennen: »Die Alfonsinischen Tafeln«. Im Laufe 
der Zeit wuchsen die Fehler der älteren Planetentafeln an, so dass sie mit den 
Beobachtungen nicht mehr stimmten. ALFONS X, der Weise, von Castilien, be- 
schloss demnach, neue Planetentafeln construiren zu lassen und berief zu diesem 
Zwecke an 50 arabische, jüdische und christliche Astronomen nach Toledo, 
welche unter der Leitung des Astronomen Isaac BEN Sam, genannt Hassan, 
daran arbeiteten, und die Tafeln im Jahre 1252 fertig stellten. Eine theoretische 
Behandlung der Planetenbewegungen, auf Grund deren diese Tafeln abgeleitet 
wurden, ist denselben nicht beigegeben, doch ersieht man aus der dazu ge- 
hörigen Gebrauchsanleitung, dass sie sich von den ProLEMAischen nicht wesent- 
lich unterscheiden!) Natiirlich sind andere Constanten (geänderte mittlere Be- 
wegungen, Orte der Apogáen u. s. w.) gegeben, dagegen ist die Einrichtung der 
Tafeln, gegenüber den früheren, nicht geändert, und nur die Präcession ist durch 
die Combination mit der Trepidation anders berechnet. Die Richtungen der 
Apsiden sind für alle Planeten absolut unveränderlich (auch hier ist noch von 
einer Bewegung der Apsiden keine Rede), ihre Länge ändert sich aber in Folge 
der Prücession und Trepidation. Die Präcession beträgt 26'449 jährlich (die 
Umlaufszeit der Aequinoctialpunkte daher 49000 Jahre), die jährliche Bewegung 
der Pole Q (die Trepidation) in dem kleinen Kreise 185'148 (daher ihre Umlaufs- 
zeit 7000 Jahre), die grösste aus dieser Bewegung entstehende Verschiebung der 
wahren Aequinoctialpunkte gegen die mittlere beträgt + 9°; die Rückrechnung 
des analytischen Ausdruckes für den Frühlingspunkt aus den Tafeln giebt für 
das Jahr 7" nach Chr. 26"449 7" + 9° sen [Z9 + 0:0514° 7]... Für die jährliche 
Aenderung der Längen folgt daraus: Um Christi Geb. nahe 55"; für die Zeit 
1950 nahe 38"; um 3000 würde dieselbe Null, sodann würden die Lingen- 
änderungen negativ, d. h. die Lángen sámmtlicher Gestirne. nehmen ab und 
zwar bis 3950, wo die jährliche Aenderung wieder Null wird, worauf die Lángen 
wieder wachsen. Um 70oo wird die jährliche Aenderung wieder 55". 
1) Eine genauele Analyse derselben s. HERZ: Geschichte der Bahnbestimmung von Planeten 
und Kometen; IL. Theil pag. 38. 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.