Full text: Handwörterbuch der Astronomie (3. Abtheilung, 2. Theil, 1. Band)

       
  
  
  
   
  
   
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
   
   
    
78 Allgemeine Einleitung in die Astronomie. 
und die Dogmen der Religion unanfechtbare Wahrheiten reprüsentiren. Dadurch 
erbitterte er allerdings seine mächtigen Gegner, und da er die Unklugheit hatte, 
denselben nicht auszuweichen, sondern sich ihnen im Gegentheil auszuliefern, 
so entging er mit genauer Noth dem Schicksale des GIORDANO BRUNO. 
Auch in Deutschland scheinen sich selbst die eifrigsten Anhänger des 
COPERNICANI’schen Systems offen nicht unbedingt für dasselbe erklärt zu haben. 
Das vermittelnde System von Tvcuo, welches auch von REIMARUS Unsus, RÓSLIN 
u. a. adoptirt wurde, ist bereits erwáhnt. MarsTLIN!) (1550— 1631) der Lehrer 
KEPLrR's, sprach an manchen Stellen auch von der ruhenden Erde, während er, 
wie aus seiner Abbandlung über den Kometen von 1577 folgt, ein Anhánger 
des heliocentrischen Systems war; er nimmt für den Kometen eine Kreisbahn 
zwischen Erde und Venus an, ausserdem aber, um die Ungleichheit zu erklären, 
eine Libration in der Richtung der Tangente, welche jedoch 'TycHo nicht für 
ausreichend findet. Selbst KEPLER”) (1571— 1631), welcher gewiss von Niemandem 
für einen Anhänger des ProrrmArschen Systems erklärt werden kann, giebt in 
seinem Werke über den Mars die Deductionen in den ersten drei Theilen für 
alle »Hypothesens, für die ProrrmArsche, 'TvcHoNrsche und CoPERNICANI'sche, 
gleichsam als wären alle als Hypothesen gleichwerthig, wodurch er gewiss sein 
Werk vor der Kritik und den Angriffen der Unverständigen schützte. Auch 
wurde er wiederholt von Freunden gewarnt, sich offen zum COPERNICANI'schen 
System zu bekennen. Er beweist jedoch auch die Richtigkeit des heliocentrischen 
Systems ähnlich wie GALILEI aus den Verhältnissen der Bahnen, aus den Licht- 
gestalten der Venus und des Mercur, durch die Jupiterstrabanten u. s. w. und 
widerlegt den Einwand, dass sich eine jährliche Parallaxe der Fixsterne ergeben 
müsste durch die grosse Entfernung der Fixsterne, nach welcher jene nicht 
grósser als 10" gefunden werden würde. 
  
T) Geboren zu Góppingen; er studirte in Tübingen Theologie und Mathematik, erwarb 
1571 die Magisterwürde, stand seit 1576 als Diakonus zu Baknang in Württemberg, bekam 
1580 die Professur der Mathematik in Heidelberg und 1583 dieselbe in Tübingen, wo er bis 
zu seinem Tode blieb. 
?) JoHANNES KxePLER wurde am 27. Dezember 1571 zu Weil der Stadt in Württemberg 
geboren; nach seines Vaters Tode bezog er die Klosterschule zu Maulbronn, hierauf 1589 die Univer 
sitit Tübingen. 1591 wurde er Magister und 1594 Professor der Mathematik in Graz. 1596 ver- 
heirathete er sich mit der jungen Witwe BARBARA MÜLLER, deren Familie das bei Graz gelegene 
Schlósschen Mühleck gehórte. Allein schon 1598 wurden die Protestanten aus Steiermark aus- 
gewiesen, und obwohl bei KEPLER eine Ausnahme gemacht worden war, sah er doch bald ein, 
dass er auf die Dauer nicht in Graz bleiben könne, und so setzte er sich mit TvcHO in Ver- 
bindung, um nach Prag zu kommen. Im October 1600 iibersiedelte er nach Prag, wo er nun 
Gelegenheit hatte, den reichen Beobachtungsschatz TvcHo's zu verwerthen. Fast die ganze 
Zeit war durch seine Untersuchungen über den Planeten Mars ausgefüllt, worüber er eifrig mit 
D. FABRICIUS correspondirte. Da ihm seine Besoldung jedoch sehr unregelmässig ausbezahlt 
wurde, hatte er schon um jene Zeit stets mit pecuniüren Schwierigkeiten zu kàámpfen. Nach 
dem Tode seines Gónners, des Kaisers RupoLPH II. wurde er von dessen Nachfolger MATTHIAS 
als sein Mathematicus bestütigt, und ihm Linz zum Aufenthaltsorte angewiesen. Im Sommer 1620 
musste er nach Württemberg reisen, da gegen seine Mutter ein Hexenprocess angestrengt worden 
war; es gelang auch KEPLER die Tortur zu hintertreiben, ja endlich ihre Freisprechung herbeizu- 
führen. Inzwischen waren die Rückstünde seines Gehaltes auf mehrere tausend Gulden angelaufen, 
wegen deren Bezahlung er an WALLENSTEIN gewiesen wurde; er zog zu diesem nach Sagan, bekam 
aber auch hier kein Geld, sondern wurde bestündig hingehalten, und eine ihm angebotene 
Pr ofessur in Rostock wollte er nicht annehmen 1631 reiste er zum Reichstage nach Regens- 
burg, um zur Erlangung der rückständigen Besoldung weitere Schritte zu thun, wurde aber bald 
nach seiner Ankunft krank und starb daselbst am 15. November 1631. 
  
 
	        
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