Kometen und Meteore.
97
unberechtigten, dem Probleme nicht entsprechenden Voraussetzungen vorge-
nommen. So wird als »Referenzcurve«, d.i. die gemeinschaftliche Bahncurve, von
welcher aus die Abweichungen der einzelnen Theilchen gesucht werden, ein
Kreis angenommen, eine Voraussetzung, durch welche allerdings, entgegen der
Behauptung CHAnRLIER's sehr bedeutende, dem Problem anhaítende Schwierig-
keiten verschwinden, welche aber bei der Bewegung der Kometen durchaus
nicht zutrifft. Weiter wird bei der Ableitung der Stabilitátsbedingung (Gleichung 15)
ein Zustand relativer Ruhe vorausgesetzt; die Stabilität der Ruhe ist aber eine
wesentlich andere, als die Stabilität der Bewegung, wie schon LAPLACE bei einer
anderen Gelegenheit hervorhob !).
Treten in dieser Weise durch irgend eine Ursache Theilungen der Kometen
auf, so werden sich die einzelnen Theile im Laufe der Zeit in genähert
gleichen Bahnen um die Sonne bewegen, sich dabei aber von einander ent-
fernen; so entstehen Kometensysteme, für welche einzelne oder mehrere
Elemente nahe dieselben sind, während andere von einander abweichen können.
Welche Elemente identisch sein müssen, lässt sich nicht allgemein angeben. In
der Regel wird man zunächst eine genähert gleiche Lage der Bahnebene, also
nahe dieselbe Länge des Knotens und nahe denselben Werth der Neigung an-
nehmen müssen, während die Lage des Perihels, die Excentricität und die
Umlaufszeit schon ziemlich weit von einander verschieden sein können, und die
Zeit des Durchganges durch das Perihel überhaupt jeden Werth haben kann,
indem dieselbe von der Form der Bahn und auch von dem Zeitpunkte der
Trennung abhängt?. In speziellen Fällen können aber auch andere Elemente
stärkeren Schwankungen unterliegen; ist z. B. die Periheldistanz sehr klein, so
kann eine Trennung in einer zur Bahnebene senkrechten Richtung zwei Bahnen
erzeugen, deren Neigungen von einander stark differiren, u. s. w.
Die ersten Untersuchungen über Kometensysteme rühren von HOEK her®).
Es wird zunächst die Aphelrichtung für 22 Kometen bestimmt, und diejenigen
Kometen zusammengestellt, bei denen die Richtungen weniger als 10° im
grössten Kreise abweichen; so entstehen acht Systeme von je 2 Kometen, und
die folgenden beiden Systeme von je drei Kometen:
167 (18451), 173 (1846 V) und 176 (1846 VIIT)
218 (1860 IID, 226 (18631) und 231 (1863 VI,
für welche die Längen und Breiten des Aphels bez. sind:
167: X= 98075, 0 -— — 41^6 918: À = 3051, 8=— 15 2
173 275 ‘3 — 55 4 226 313 2 — 18 -9
176 281 ‘0 — 49 ‘5 231 313 ‘9 — 76 4
Nun wird untersucht, ob und wann die Distanz aller drei Kometen einander
nahe gleich waren. Dieses war der Fall für die ersten drei Kometen im Jahre
56:97 mit den Distanzen 600:00, 600:42 und 600:25; und für die letzteren drei
Kometen im Jahre 1020:87 mit den Distanzen 500:00, 500:56 und 500:36.
1) Bei der Interpretation der Gleichung (15) muss es übrigens heissen, »die beiden Kórper
müssen also ]/3 — 1:732 mal (nicht aber, wie CHARLIER meint, 3 mal) eine Rotation um den
gemeinsamen Schwerpunkt ausführen, wührend der Schwerpunkt selbst einmal einen Umlauf um
die Sonne vollfithrt,« Q ist nümlich nach der Definition das Quadrat einer mittleren Bewegung.
2?) In diesem Sinne kann man dann auch von Kometensystemen ohne direkt nachweisbare.
physische Zusammengehórigkeit sprechen.
3) »On the Comets 1860 III, 1863 I, 1863 VI,« Monthly Notices, Bd. 25, pag. 243.
VALENTINER, Astronomie, II, 7