228 Kosmogonie.
diesem Falle mit einem sich bewegenden wiederstehenden Mittel zu thun
hat, mit dessen Theorie er sich übrigens schon früher (1860 und 1861) be-
schäftigt hatte. Dem widersprechen aber zwei Thatsachen: Dieses von FAYE
supponirte widerstehende Mittel setzt nämlich eine durchweg rechtläufige Be-
wegung aller Sternschnuppen voraus, und zweitens eine Geschwindigkeit, welche
kreisförmigen oder nahe kreisförmigen Bahnen entspricht. Beide Voraussetzungen
sind durch die Erscheinungen widerlegt. Selbst wenn man Sternschnuppen
sich in Strömen bewegend annimmt, so sind diese Schwärme ebenso wie die
sie begleitenden Kometen nicht durchweg rechtläufig, und die Geschwindigkeit
ist in allen Fällen weit grösser als die einer kreisíórmigen Bahn entsprechende,
in einer überaus grossen Zahl von Fällen auch grösser wie die einer parabo-
lischen Bahn entsprechende. Will man also die Sternschnuppen als die das
widerstehende Mittel bildenden Körperchen ansehen, so hat man sie als in
regellosen Bahnen sich bewegend anzusehen, ähnlich den hypothetischen Be-
wegungen, welchen nach der Voraussetzung der kinetischen Gastheorie die Mole-
küle jedes Gases unterliegen. Die in diesen Bewegungen begriffenen, sporadischen
Sternschnuppen stehen in keinem unmittelbaren Zusammenhang zu den Kometen;
sie sind Theile desselben Weltganzen, und können zur Vergrösserung der
Kometen wie der Planetenmassen und zur Beeinflussung ihrer Bewegungen
führen, aber nur regellos, wie ihre Vertheilung ist: kosmisch derselben Art,
sind sie immerhin in Rücksicht auf ihre Weltstellung von den Sternschnuppen-
schwärmen zu trennen. N. HERZ.
Kosmogonie. Einleitung. Wenn es auch zu keiner Zeit an Ver-
suchen, über die Entstehung des Weltalls Klarheit zu gewinnen, gefehlt hat, so
konnten diese doch so lange nur dichterischen oder geschichtlich-philosophischen
Werth haben, als die Naturwissenschaft noch nicht über genügendes Beobachtungs-
material und einwandsfreie Methoden, es zu bearbeiten, verfügte. Die in den
Schöpfungsgeschichten und den philosophischen Systemen niedergelegten Welt-
bildungshypothesen gaben demnach den Aufschluss, den sie geben wollten,
in keiner Weise und können höchstens, worauf FAyE!l) zuerst aufmerksam ge-
macht hat, dazu dienen, den Umfang der naturwissenschaftlichen Kenntnisse,
welche ihre Urheber besassen, bestimmen zu lassen. So ist denn auch noch
die Kosmogonie des Cartesius?) trotz mancher brauchbarer Einzelheiten, viel
zu sehr durch vorgefasste Meinungen beeinflusst, als dass sie jetzt noch Be-
deutung haben könnte, und der erste Versuch dieser Art, mit dem wir uns hier
zu beschäftigen haben, ist derjenige, welchen KAnT®) 1755 in seiner anonymen,
1) FAYE, Sur l’hypothese de LAPLACE, Compt. rend. XC, pag. 566. — Sur Vorigine du
systéme solaire, Compt. rend. XC, pag. 637. — Sur l'origine du Monde, Théories cosmographiques
des Anciens et des Modernes. 2. Ed. Paris 1885, pag. 8 ff.
7) RENATI CARTES! Principia Philosophiae. Ult. Ed. Amstelodami 1692.
3) KANT, Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der
Verfassung und dem mechanischen Ursprung des ganzen Weltgebáudes nach NEWTON'schen
Grundsätzen abgehandelt. Königsberg und Leipzig J. FR. PETERSEN 1755. Im Auszuge von
GENSICHEN 1791 nur bis pag. 94 der Originalausgabe nochmals abgedruckt unter Beifügung
dreier Abhandlungen von W. HERSCHEL und Anmerkungen von SOMMER. (Von KANT durch-
gesehen und genehmigt) Neu herausgegeben 1798 von M. F. In der Ausgabe der Werke
KaNT's von ROSENKRANZ und SCHUBERT befindet sie sich im 6. Bande. Sie bildet 1890 von
H. EBERT herausgegeben das 12. Heft der Classiker der exakten W'ssenschaften, — Einzig
möglicher Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes. 1763. Sümmtliche Werke
herausgegeben von HARTENSTEIN II, pag. 180 ff.
co. —