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sagt, »dass die Theilchen ihre Bewegung untereinander so lange einschränken,
bis sie alle nach einer Richtung fortgehen«, so ist das gewiss doch. etwas ganz
Anderes, als eine solche Anpassung oder eine direkte Auslese im Sinne Dan-
win's, wie EBERT (pag. 99) und EBERHARD (pag. VII) annehmen.
1) Das Wesen des Urstoffes.
Soll eine Weltbildungshypothese nicht von vornherein gegenstandslos sein,
so darf sie nicht mit NEwTON*!) die Welt, wie sie ist, aus der Hand des
Schôpfers hervorgehen lassen. Aber ebenso wenig kann sie mit dem absoluten
Nichts beginnen. Sie muss unter allen Umständen ein von Anfang Gege-
benes voraussetzen. Darüber, dass dies der noch nicht differenzirte, mit
Anziehungs- und Abstossungskräften ausgerüstete Stoff war, sind alle
Forscher, welche sich mit dem Gegenstand beschäftigt haben, einig. Während
nun KanT (pag. 17) als anziehende Kraft nur die Gravitation voraussetzte,
fügte man später auch die molekularen Kräfte hinzu und brachte sie zugleich
mit der Wärme in die Verbindung, die die kinetische Gastheorie fordert. Die
Entdeckung der Fähigkeit der Wärme, chemische Verbindungen zu dissociiren,
führte dann weiter zu der Annahme, dass der noch nicht differenzirte Stoff aus
den unverbundenen Elementen bestanden haben móchte, ja, als die Fortschritte
der Spectralanalyse es als móglich erscheinen liessen, dass die in gegenwártiger
Zeit als Elemente angesprochenen Kórper noch zusammengesetzter Natur seien,
da lag es nahe, sie als aus einem einzigen oder einigen wenigen Stoffen ge-
bildet anzusehen, welche somit im eigentlichen Sinne des Wortes die Urstoffe
wären. Zu der námlichen Ansicht führten CROOKES ?) Versuche, die er mit den
»seltenen«, namentlich Yttrium und Samarium enthaltenden Erden im äusserst
luftverdünnten Raum unter Anwendung des Inductionsfunkens und des Spektro-
skops anstellte und deren Ergebnisse er zum Gegenstand eines am 18. Fe-
bruar 1887 in der Royal Institution gehaltenen Vortrag machte. Danach sollen
die bisher als Elemente angesehenen Stoffe aus einem Grundstoff, dem »Pro-
tyle?)« gebildet sein, aus dem sich die Atome zusammenballen, wie die Flocken
aus den Niederschlägen oder die Wirbelringe aus Rauch. Indem die neuen Ge-
bilde auf das Protyle weiter verdichtend wirkten, beschleunigten sie den Fort-
gang der Atombildung. Als erstes Element entstand der Wasserstoff, der die
einfachste Structur bei niedrigstem Atomgewicht aufweist; ihm folgten der Reihe
nach Lithium, Beryllium, Bor, Kohlenstoff, Stickstoft, Sauerstoff, Fluor, Natrium,
Magnesium, Aluminium, Silicium, Phosphor, Schwefel, Chlor etc., so dass die
Elemente, aus denen die organische Welt besteht, zu den am frühesten auf-
tretenden gehören. Ging diese Atombildung hinreichend langsam vor sich, so
entstanden scharf ausgeprägte Elemente, wurde sie durch irgend eine Ursache
beschleunigt, so konnten Gruppen einander ähnlicher Stoffe zum Vorschein
kommen, wofür die Eisen, Nickel und Kobalt enthaltende ein Beispiel ist. Die
graphische Darstellungsweise REINOLDS’ (CROOKES a. a. O., pag. 24), welche die
Atomgewichte als Abscissen, die Phasen der abnehmenden Schwingungsweite
eines Pendels, dessen Schwingungsmittelpunkt auf der Abscisse fortschreitet, als
1) NEWTONI, Philosophiae naturalis Principia mathematica. Ed. altera. Colon. Allo-
brog. 1760. T. III, pag. 672.
2) CrOOKES, Die Genesis der Elemente, ein Vortrag, gehalten in der Royal Institution zu
London. Deutsch von DELISLE. Braunschw. 1888.
3) Nach der Ableitung aus xp) und OA hätte man die Bezeichnung »die Prohyle« er-
warten sollen.