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irgend ein System' genäherter mittlerer Bewegungen (aus der Theorie bestimmter
Bewegungen der Elemente oder osculirende mittlere siderische Bewegungen) ver-
wendet, so werden schon hierdurch die Coéfficienten ganz bedeutend alterirt.
Im Falle, dass man es mit secundár-elementüren Gliedern zu thun hat, kann es
vorkommen, dass gewisse osculirende Elemente eine vollständige Commen-
surabilitit zwischen den mittleren Bewegungen andeuten?) welche thatsáchlich
nicht stattfindet. Verwendet man aber statt des wahren Divisors?) (drviseur effectif)
irgend einen bekannten genäherten Werth desselben (diviseur linéair), so wird
dies eine Darstellung geben, in welcher die aufeinanderfolgenden Näherungen
eigentlich nach Potenzen des Verhältnisses
wahrer Divisor — genäherter Divisor
genäherter Divisor
entwickelt sind, sodass, wenn dieses Verhältniss nicht genügend klein ist, neuer-
dings schwach convergente Reihen auftreten. Auch diese Schwierigkeit wird
durch die letzterwähnte Methode nicht vollständig beseitigt. GvYLDEN nennt die
dadurch auftretenden Glieder kritische (termes critiques), und bemerkt: »Dans
le cas des termes critiques on est obligé de refaire plusieurs fois, les approxi-
mations dès le debut, mais on pourra aussi mettre à profit des méthodes de
tâtonnement conduisant plus promptement au but?)« Man ist demnach wieder
vor die Frage gestellt, ob man es mit thatsichlich convergenten Entwickelungen
zu thun hat.
Zunüchst ist hervorzuheben, dass eine strenge Definition der Convergenz
nirgends festgestellt erscheint, so dass der Ausspruch von POINCARE, dass sich
die Astronomen bei ihren Entwickelungen vom Instinkt leiten lassen, beinahe
gerechtfertigt erscheint. Sodann aber ist, wie POINCARÉ treffend bemerkt, wohl
zu unterscheiden zwischen der Convergenz einer Reihe im Sinne der Mathematiker
und Convergenz im Sinne des praktischen Rechnens. Die erste, am passendsten
und kürzesten als »theoretische Convergenz« bezeichnet, fordert, dass die Glieder
einer Reihe von einem gewissen angefangen, beständig abnehmen (wenn sie
auch anfänglich. bis zu einem gewissen Punkte ab- oder auch zunehmen) und
dass die Summe derselben, bis ins unendliche genommen, einen festen be-
stimmten endlichen Werth hat. Die zweite, im Gegensatz zur ersten als »prak-
tische Convergenz« zu bezeichnen, erfordert, dass die Glieder von dem ersten
an, wenigstens bis zu einem gewissen hin, beständig abnehmen, und die Summe
dieser Glieder die gegebene Function bis auf einen kleinen, als praktisch
zulässig erklärten Fehler, darstellt. In diesem Sinne sind demnach die zuerst
von STIRLING betrachteten semiconvergenten Reihen, als »praktisch convergent«
zu bezeichnen. In dieser Weise ist z. B. die Reihe
Ar
PUE (a)
wo 4 eine sehr grosse Zahl, z. B. 1000 oder auch noch mehr, ist, »theoretisch
convergent«, nicht aber »praktisch convergent«; und umgekehrt die Reihe
2!
Ar. (b)
»theoretisch divergent«, hingegen »praktisch convergent«. Während eine theo-
1) Ein Fall, den man als Libration bezeichnet.
2) Ueber die Berechnung des wahren Werthes des Divisors aus dem genäherten; vergl.
GYLDEN in »Acta Mathematica« Bd. 9, pag. 201 ff.
3) Traité des orbites absolues, pag. 564.