Universum. 61
erschien ausreichend, da sie sowohl den einen Pol der Milchstrasse, wie diese
selbst in grosser Ausdehnung enthält.
Die Gestalt des Milchstrassensternhaufens untersucht HERSCHEL nun in
einem Schnitte, der 35° gegen den Himmelsaequator geneigt, seinen Knoten in
1241? hat. In ihm liegen die Sternbilder des Adlers, des Wassermanns, des siid-
lichen Fisches, der Waage, des Eridanus, des Hasen, des Einhorns, der Hydra,
des Lowen, des Haares der Berenice, der Jagdhunde, des Bootes, der Krone
und des Herkules. Die jeweiligen Radien-Vectoren, d. h. die dritten Wurzeln
der Sternzahlen, tridgt HERSCHEL in einer oft reproducirten Zeichnung auf, welche
diesen zur Milchstrassenebene ungefihr senkrechten Schnitt versinnbildlicht.
Die Sonne befindet sich ungefähr in der Mitte. Die Längsaxe der Figur ist zu
850 Siriusweiten, die kleine Axe zu 155 solchen angenommen, das Verhiltniss
beider Axen ist also 11:2. Die grösste Entfernung der Grenze von der Sonne liegt
in der Richtung des Sternbildes des Adlers, wo die zweigetheilte Milchstrasse
sich auf 497 resp. 420 Siriusweiten erstreckt, ein leerer Raum gähnt zwischen
beiden Aesten, die erst 220 Siriusweiten von der Sonne entfernt sich vereinigen.
Auf der entgegengesetzten Seite ist die Grenze der einfachen Milchstrasse im
grossen Hunde nur 352 Siriusweiten entfernt. Die grósste Entfernung in diesem
Schnitt vom Einhorn zum Adler würde das Licht erst in 12920 Jahren durch-
messen.
Aber HERSCHEL arbeitete rastlos an seinen Ideen weiter und hat sie stufen-
weise fortschreitend in 12 weiteren Abhandlungen!) niedergelegt, die in den
»Philosophical Transactions« von 1786, 1789, 1791, 1794, 1796, 1799, 1802, 1806,
1811, 1814, 1817 und 1818 erschienen sind. Er erkannte, vor allem seit er
das 20-füssige Teleskop durch Beseitigung des zweiten Spiegels lichtstürker ge-
macht und zumal nach Anwendung des 40-füssigen, dass er weder die Sterne
als gleichfórmig vertheilt annehmen dürfe, noch daran festhalten kónne, dass er
mit seinem Fernrohr bis zu den Grenzen der Milchstrasse vorgedrungen sei.
Schon im 20-Füsser war er auf 6 Stellen in der Milchstrasse gestossen, die es
ihm nicht gelang, in Sterne aufzulósen, der neblige Schimmer blieb, also durch-
drang das Fernrohr den Raum nicht bis zu jenen Sternen, obwohl es den Blick
75 Mal weiter in die Tiefen des Himmels führte, als das unbewaffnete Auge
dies that, und auch der 40-Füsser vermochte hier keine Auflösbarkeit zu erzielen.
HERSCHEL Sieht also das erhoffte Resultat seinen Händen entgleiten. Die Milch-
strasse selbst bleibt unauflösbar, nur ausserhalb derselben zeigen ihm seine Hilfs-
mittel die Grenzen der Welt. Wenn aber die Hypothese gleichförmiger Stern-
vertheilung nicht aufrecht erhalten bleiben kann, so lassen sich diese Grenzen
nur abstecken, wenn eine photometrische Abstufung der Sterne in jedem Gesichts-
feld hinzutritt. Diesen neuerdings mit Erfolg durchgeführten Gedanken hatte
HerscHEL schon, nur waren eben in seinen Aichungen die Sterne nicht nach
Helligkeitsklassen abgezáblt. Als Endergebniss mehr als 30-jähriger Bemühungen,
kommt HERSCHEL zu dem Schlusse, dass die Milchstrasse eine ungeheure An-
sammlung grosstentheils unregelmässig gebauter Sternhaufen sei, untermischt mit
schwächer leuchtenden Nebelparthieen. Ihre Dicke ist klein gegenüber der Längs-
ausdehnung, doch ist das Verhältniss nicht angebbar.
Den nächsten Schritt that F. G. W. STRUvE, dem ein geeignetes Material
in die Hand gegeben war durch die unter seiner Leitung von WEISSE catalogi-
1) STruve stellt in seinen »Etudes d’astronomie stellaire« diese Abhandlungen auf pag. 19
und 20 der Notes übersichtlich zusammen.