Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

   
94 Kausalgesetz und Willensfreiheit 
zu begreifen. Daher sind in dem System von Descartes 
Wunder und Mysterien keineswegs ausgeschlossen. 
Im Gegensatz dazu ist Baruch Spinozas Gott ein Gott 
der Harmonie und der Ordnung, er durchdringt alles Welt- 
geschehen derart, daß das Gesetz vom allgemeinen Kausal- 
zusammenhang selber als göttlich, also als absolut voll- 
kommen und unverbrüchlich anzusehen ist. Daher gibt es 
in Spinozas Welt keinen Zufall und kein Wunder. 
Der Gott von Gottfried Wilhelm Leibniz hinwiederum 
hat ursprünglich die ganze Welt nach einem einheitlichen, 
seiner höchsten Weisheit entsprechenden Plane aufgebaut, 
indem er von vornherein jedem einzelnen Dinge die Gesetze 
seiner besonderen Wirksamkeit ein für allemal einpflanzte, 
so daß es sich nun im Grunde ganz unabhängig von allen 
anderen Dingen nur seinem eigenen Wesen gemäß verhält 
und entwickelt. Daher ist bei Leibniz die Wechselwirkung 
zwischen zwei Dingen nur eine scheinbare. — Man sieht: 
soviel Philosophen, soviel Theorien. Auf diesem Wege kann 
man nicht wirklich vorwärtskommen. 
Deshalb bedeutete es einen entscheidenden Fortschritt, als 
gegenüber der hier angedeuteten naiveren rationalistischen 
Auffassung von England her unter dem Namen des Empiris- 
mus eine skeptischere Richtung sich Bahn zu brechen begann. 
Für sie ist vor allem charakteristisch die Lehre, daß es be- 
stimmte, von vornherein gesicherte Erkenntnisse oder an- 
geborene Ideen, wie sie der Rationalismus voraussetzen muß, 
überhaupt nicht gibt, sondern daß unsere Seele sich bei der 
Geburt verhält wie ein unbeschriebenes Blatt, in welches 
erst die Erfahrung ihre Zeichen einträgt. Das einzige nun, 
was uns Kunde bringt von der gesamten Außen- und Innen- 
welt, und zugleich das einzige, von dem wir etwas mit Be- 
stimmtheit aussagen können, sind unsere persönlichen Er- 
lebnisse, vor allem die in unserm Bewußtsein auftretenden 
Empfindungen. Diese bilden daher die einzige feste unan- 
greifbare Grundlage und den Ausgangspunkt alles Denkens, 
das eigentliche Material, mit welchem unser Verstand und 
unsere Einbildungskraft arbeitet. Was wir als warm oder 
kalt, blau oder rot, hart oder weich empfinden, dessen sind 
wir unmittelbar gewiß, ohne daß eine besondere Definition 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
	        
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