Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

118 Kausalgesetz und Willensfreiheit 
den Subjekts ihre Bedeutung behalten. Und der deutliche 
Sinn des Kausalzusammenhangs ist in dem vorliegenden Falle 
der folgende. 
Es läßt sich sehr wohl denken und ist vielleicht nicht ein- 
mal unwahrscheinlich, daß unser gegenwärtiger menschlicher 
Intellekt nicht der höchste ist, sondern daß an irgendeinem 
anderen Ort oder in irgendeiner anderen Zeitepoche Wesen 
vorkommen mögen, deren Intelligenz so hoch über der unsrigen 
steht, wie die unsrige etwa über derjenigen der Infusorien. 
Dann könnte es sich sehr wohl ereignen, daß vor dem scharfen 
Auge eines solchen Geistes, der ebensowohl den flüchtigsten 
Gedankenblitzen wie auch den feinsten Veränderungen in den 
Ganglien des menschlichen Gehirns im einzelnen zu folgen 
vermag — Emil du Bois-Reymond hat ihn in einer seiner 
bekannten Reden einmal nach dem Begründer der Himmels- 
mechanik einen ,,Laplaceschen Geist“ genannt — auch die 
schopferischen Leistungen unserer Geistesheroen sich ebenso 
festen, unwandelbaren Gesetzen untertan erweisen wiirden 
wie vor dem Fernrohr eines Astronomen unserer Tage die 
vielfaltigen Bewegungen am gestirnten Himmel. 
Wir miissen eben, wie iiberall, so auch bei den geistigen 
Vorgängen, unterscheiden zwischen der Gültigkeit und der 
Durchführbarkeit des Kausalgesetzes. Gültig bleibt das 
Kausalgesetz unter allen Umständen, vermöge seines tran- 
szendentalen Charakters, aber durchführbar ist es, wie in der 
Natur nur für einen mikroskopischen Beobachter, so in der 
Geisteswelt nur für einen Geist, dessen Intelligenz diejenige 
des zu erforschenden Geistes, des untersuchten Objekts, in 
einem gewissen, ungemein großen Abstand übertrifft. Je 
geringer diese Distanz sich erweist, um so unsicherer und 
lückenhafter wird die kausale und mit ihr die wissenschaft- 
liche Betrachtungsweise. Daher allein rührt für uns die 
Schwierigkeit, ja die Unmöglichkeit, die Gedanken und 
Handlungen eines Genies unter dem Gesichtspunkt der Kau- 
salität zu begreifen. Selbst ein kongenialer Geist muß sich 
bei dieser Aufgabe mit Andeutungen, Vermutungen und 
Analogieschlüssen behelfen, und dem Banausen gar wird das 
Genie immer ein verschlossenes Buch mit sieben Siegeln 
bleiben. 
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
    
	        
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