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Kausalgesetz und Willensfreiheit
Deshalb ist aber doch auch der geistig hôchststehende
Mensch in allen seinen Betätigungen dem Kausalgesetz unter-
worfen, und man muß wenigstens im Prinzip stets mit der
Möglichkeit rechnen, daß es eines Tages der unaufhaltsam
tiefer dringenden und stetig sich verfeinernden wissenschaft-
lichen Forschung gelingen werde, auch die genialste mensch-
liche Schöpfung in ihrer kausalen Bedingtheit zu verstehen.
Denn das wissenschaftliche Denken verlangt nun einmal nach
Kausalität, insofern ist wissenschaftliches Denken gleich-
bedeutend mit kausalem Denken, und das letzte Ziel einer
jeden Wissenschaft besteht in der vollständigen Durchfüh-
rung der kausalen Betrachtungsweise.
V.
Wie steht es nun aber mit dem freien Willen? Ist denn
für diesen neben der allumfassenden Kausalität überhaupt
noch Platz vorhanden ? — Indem wir uns jetzt dieser letzten,
für uns heute wichtigsten Frage zuwenden, lassen Sie mich
zunächst auf einen auffälligen Umstand hinweisen, welcher
uns in diesem Zusammenhang jedenfalls allerlei zu denken
gibt.
Wenn, wie wir soeben sahen, der blinde Zufall und das
Wunder von der Wissenschaft grundsätzlich ausgeschlossen
werden muß, so hat sie doch um so mehr Anlaß, sich mit
dem Glauben an das Wunder zu beschäftigen. Denn daß
dieser innerhalb der gesamten Menschheit von jeher die
weiteste Verbreitung genießt, ist eine offenkundige, durch
alle Jahrhunderte hindurch in unzähligen Formen sich immer
wieder erneut bekundete Tatsache, die als solche der wissen-
schaftlichen, also kausalen Aufklärung dringend bedarf. Der
Wunderglaube stellt bekanntlich in der menschlichen Kultur-
geschichte eine reale Macht von ungeheurer Bedeutung vor,
er hat eine Fülle von Segen gestiftet, er hat edle Männer zu
den größten Heldentaten begeistert, er hat freilich auch,
besonders da, wo er in Fanatismus ausartete, unermeßliches
Unheil angerichtet, hat ganze Länder verwüstet und unzählige
Unschuldige geopfert.
Nach dem Ergebnis unserer bisherigen Betrachtungen sollte
man nun eigentlich erwarten, daß die fortschreitende wissen-