162 Physikalische Gesetzlichkeit
keiten, sondern nur Gleichheit des Mittelwertes der Geschwin-
digkeiten für jedes Flüssigkeitsquantum, das eine sehr groDe
Zahl von Molekülen umfaßt. Nehmen wir aber ein Quantum,
das nur verhältnismäßig wenig Moleküle enthält, so wird der
Mittelwert ihrer Geschwindigkeiten im Laufe der Zeit Schwan-
kungen aufweisen, um so stärkere, je kleiner das Quantum
gewählt ist. Diesen Satz können wir heute als eine experi-
mentell vollkommen gesicherte Tatsache ansehen. Eine der
augenfälligsten Illustrationen derselben bildet die sogenannte
Brownsche Molekularbewegung, welche man durch das
Mikroskop an kleinen, in einer Flüssigkeit suspendierten Staub-
teilchen beobachten kann, die durch die Stöße der an sie
prallenden unsichtbaren Flüssigkeitsmoleküle hin und her
getrieben werden, um so lebhafter, je höher die Temperatur
gewählt ist. Wenn wir nun weiter die Annahme machen,
welcher grundsätzlich nichts im Wege steht, daß ein jeder
einzelne Stoß ein reversibler Vorgang ist, für den die elementar
strenge dynamische Gesetzlichkeit gilt, so können wir sagen,
daß durch die eingeführte mikroskopische Betrachtungsweise
die Gesetze der irreversiblen Vorgänge, oder daß die sta-
tistische, grobe und angenäherte Gesetzlichkeit auf die dyna-
mische, feine und absolute Gesetzlichkeit zurückgeführt
worden ist.
Die großen Erfolge, welche durch die Einführung der
statistischen Gesetzlichkeit auf zahlreichen Gebieten der
physikalischen Forschung in der jüngsten Zeit erzielt worden
sind, haben eine merkwürdige Wandlung in den Anschauungen
der Physiker gezeitigt. Anstatt, wie früher, in der Energetik,
das Auftreten irreversibler Prozesse zu leugnen oder wenig-
stens als zweifelhaft hinzustellen, wird jetzt vielfach der Ver-
such gemacht, die statistische Gesetzlichkeit in den Vorder-
grund zu rücken, alle bisher als dynamisch betrachteten Ge-
setze, sogar die Gravitation, auf statistische zurückzuführen,
mit anderen Worten: eine absolute Gesetzlichkeit in der Natur
ganz auszuschließen. In der Tat muß folgendes einleuchten:
was wir in der Natur prüfen und messen können, läßt sich
niemals durch ganz bestimmte Zahlen ausdrücken, sondern
enthält immer eine gewisse, durch die unvermeidlichen Fehler-
quellen der Messungen bedingte Unbestimmtheit. Daraus