Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

168 Physikalische Gesetzlichkeit 
die beiden Ereignisse in der inneren Anschauung direkt neben- 
einanderzustellen. Auch muß immer wieder betont werden, 
daß die Relativitätstheorie an dieser Wahrheit nichts geändert 
hat. Im Vertrauen auf sie kann ein jeder, wofern er nur über 
hinreichend genaue Messungsinstrumente verfügt, vollkom- 
men zweifelsfrei feststellen, ob die Ereignisse gleichzeitig sind, 
und er wird, wenn er die Zeitmessung auf verschiedene Weise, 
mit verschiedenen Instrumenten, die sich gegenseitig kon- 
trollieren, korrekt ausführt, immer auf das nämliche Resultat 
kommen. Insofern bleibt also alles beim alten. 
Aber nach der Relativitätstheorie darf er es nicht als selbst- 
verständlich voraussetzen, daß ein anderer, relativ zu ihm 
bewegter Beobachter sich die beiden Ereignisse auch als 
gleichzeitig denken muß. Denn die Gedanken und die An- 
schauungen eines Menschen sind nicht immer die Gedanken 
und die Anschauungen eines anderen Menschen. Wenn nun 
die beiden Beobachter sich über den Inhalt ihrer Gedanken 
und Anschauungen auseinandersetzen, so wird ein jeder sich 
auf seine Messungen berufen, und da wird es sich heraus- 
stellen, daß die beiden bei der Deutung ihrer Messungen von 
ganz verschiedenen Voraussetzungen ausgegangen sind. Welche 
Voraussetzung aber die richtige ist, wird sich ebensowenig 
entscheiden lassen wie die Meinungsverschiedenheit darüber, 
welcher von den beiden Beobachtern sich in Ruhe und welcher 
sich in Bewegung befindet. Auf diesen Punkt kommt es aber 
wesentlich an; denn der Gang einer Uhr erleidet, wie jedenfalls 
nicht verwunderlich ist, eine Veränderung, wenn die Uhr von 
der Stelle bewegt wird, und daraus folgt, daß die Uhren der 
beiden Beobachter verschieden gehen. Das Schlußergebnis 
ist also, daß ein jeder der beiden mit gleichem Recht von 
sich behaupten kann, daß er selber sich in Ruhe befindet 
und daß seine Zeitmessung die richtige ist, während doch 
der eine Beobachter zwei Ereignisse für gleichzeitig hält, die 
es nach dem anderen nicht sind. Derartige Gedankengänge 
sind gewiß eine harte Zumutung für unser Vorstellungsver- 
mögen, aber das geforderte Opfer an Anschaulichkeit erweist 
sich als verschwindend geringfügig gegen die unschätzbaren 
Vorteile einer großartigen Verallgemeinerung und Verein- 
fachung des physikalischen Weltbildes. 
      
       
        
    
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