Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

    
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
214 Positivismus und reale Außenwelt 
und den Empfindungen anderer. Denn nur die eigenen Er- 
lebnisse sind wirklich, diejenigen anderer Menschen werden 
nur indirekt erschlossen, sie sind etwas prinzipiell Verschie- 
denes und müssen konsequenterweise auch den zweckmäßigen 
Erfindungen zugerechnet werden. 
So gewiß sich diese Auffassung vollständig durchführen 
läßt, ohne daß man jemals einen logischen Widerspruch zu 
befürchten hat, so führt sie doch für die physikalische Wissen- 
schaft zu einem verhängnisvollen Resultat. Denn wenn diese 
nichts weiter zum Ziele hat als die möglichst einfache Be- 
schreibung von sinnlichen Erlebnissen, so kann sie streng- 
genommen nur die eigenen Erlebnisse zum Gegenstand 
haben. Denn nur die eigenen Erlebnisse sind primär gegeben. 
Nun liegt es auf der Hand, daß man auf eigene sinnliche 
Erlebnisse, auch wenn man ein noch so vielseitiger Mensch 
ist, keine volle Wissenschaft aufbauen kann, und so steht 
man vor der Alternative, entweder auf eine umfassende 
Wissenschaft überhaupt zu verzichten, wozu sich auch der 
extremste Positivist wohl kaum verstehen würde, oder aber 
ein Kompromiß einzugehen und auch fremde Erlebnisse mit 
zur Begründung der Wissenschaft heranzuziehen, obgleich 
damit strenggenommen der ursprüngliche Standpunkt, nur 
primär Gegebenes zuzulassen, aufgegeben wird. Denn die 
fremden Erlebnisse sind nur sekundär, durch die Berichte 
über sie, gegeben. Hier schiebt sich also ein neuer Faktor: 
die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Berichte, der 
mündlichen und der schriftlichen, in die Definition der Wis- 
senschaft ein, und damit ist die eigentliche Grundlage des 
Positivismus, die unmittelbare Gegebenheit des wissen- 
schaftlichen Materials, bereits an einer Stelle logisch durch- 
brochen. 
Aber setzen wir uns einmal über diese Schwierigkeit hin- 
weg, machen wir also die Annahme, daß alle Berichte über 
physikalische Erlebnisse zuverlässig sind oder daß man 
wenigstens ein untrügliches Mittel besitzt, die unzuverläs- 
sigen auszuscheiden, so haben dann doch selbstverständlich 
sämtliche als ehrlich und zuverlässig anerkannten Physiker 
in Gegenwart und Vergangenheit darauf Anspruch, daß ihre 
Erlebnisse Berücksichtigung finden, und es besteht kein
	        
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