Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

   
222 Positivismus und reale Außenwelt 
bald im großen die Entwicklung der physikalischen Erkennt- 
nis auf ihrem Wege zur Erforschung der realen Außenwelt. 
Das läßt sich überall in der Geschichte der Physik verfolgen. 
Nur wer die Schwierigkeiten und die Konflikte, in welche 
die schöne Lorentzsche Theorie der Elektrodynamik bewegter 
Körper mit den Messungen geraten war, im einzelnen mit 
verfolgt hat, wird das erlösende Gefühl der Erleichterung 
richtig bewerten, welches die Aufstellung der Relativitäts- 
hypothese mit sich gebracht hat. Und bei der Quantenhypo- 
these kann man etwas ganz Ähnliches beobachten, nur daß 
wir hier gegenwärtig die Krisis noch nicht vollständig hinter 
uns haben. 
Da in bezug auf die Fassung einer Hypothese dem Schöpfer 
derselben von vornherein völlig freie Hand gelassen ist, so 
kann er bei der Wahl der einzuführenden Begriffe und Sätze, 
sofern sie nur keinen logischen Widerspruch aufweisen, mit 
voller Souveränität schalten. Es ist nicht richtig, wie auch 
in Physikerkreisen manchmal behauptet wird, daß man bei 
der Aufstellung einer physikalischen Hypothese nur solche 
Begriffe benützen dürfe, deren Sinn durch Messungen von 
vornherein, das heißt unabhängig von jeder Theorie, hin- 
langlich scharf festgelegt sei. Denn erstens ist jede Hypo- 
these, als Bestandteil des physikalischen Weltbildes, ein Pro- 
dukt des vollkommen frei spekulierenden Menschengeistes, 
und zweitens gibt es überhaupt keine physikalische Größe, 
die unmittelbar gemessen wird. Vielmehr empfängt eine 
Messung ihren physikalischen Sinn immer erst durch die 
Deutung, welche ihr eine Theorie verleiht. Ein jeder, der in 
einem Präzisionslaboratorium Bescheid weiß, kann bezeugen, 
daß auch die direkteste und feinste Messung, wie die eines 
Gewichts oder einer Stromstärke, um physikalisch brauchbar 
zu werden, einer Anzahl. Korrekturen bedarf, die nur aus einer 
Theorie, mithin aus einer Hypothese, abgeleitet werden kön- 
nen. 
So verfügt der Schöpfer einer Hypothese über schier un- 
begrenzte Möglichkeiten und Hilfsmittel, er ist so wenig auf 
die physiologischen Leistungen seiner Sinnesorgane ange- 
wiesen, wie auf die Benützung physikalischer Meßgeräte. Mit 
seinem geistigen Auge durchschaut und kontrolliert er die 
   
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
   
  
  
  
    
	        
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