Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 1)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
    
272 Ursprung und Auswirkung wissenschaftlicher Ideen 
dernen Relativitätstheorie oder der Quantentheorie zu sagen 
wäre, wenn ich nicht den naheliegenden Einwurf der Wohl- 
feilheit derartiger Prophezeiungen ex eventu scheuen müßte. 
Das Zwangsläufige dieser Entwicklungen erblicke ich darin, 
daß durch die Ausbreitung der Experimentierkunst und durch 
die Verfeinerung der Messungsmethoden die theoretische 
Forschung gewissermaßen automatisch in eine bestimmte 
Richtung gedrängt worden ist. 
Trotz alledem wäre nichts verkehrter als die Vorstellung, 
daß die Gesetze der Entstehung und der Auswirkung wissen- 
schaftlicher Ideen sich jemals auf eine genaue, auch für die 
Zukunft gültige Formel bringen lassen würden. Denn in 
letzter Linie entspringt eine neue Idee doch der Phantasiewelt 
ihres Schöpfers, und insofern wird die Forschung, sogar in 
der exaktesten Wissenschaft, in der Mathematik, stets in 
irgendeinem Punkte an das irrationale Element gebunden 
bleiben, welches nun einmal in dem Begriff der geistigen 
Persönlichkeit enthalten ist. 
Wenn wir uns erinnern, daß eine jede Idee an ein gewisses 
Erlebnis anknüpft, so ist es nur natürlich und begreiflich, 
daß gerade unsere Gegenwart, die an neuen und sich gegen- 
seitig überstürzenden Ereignissen so reich ist, der Hervor- 
bringung und Verkündigung neuer Ideen besonders günstige 
Bedingungen darbietet. Und wenn wir weiter bedenken, daß 
bei der Formulierung einer Idee stets zwei verschiedene Er- 
eignisse aufeinander bezogen werden, so ergibt sich schon 
aus den formalen Regeln der Kombinationsrechnung, daß die 
Anzahl der überhaupt möglichen Ideen noch um eine volle 
Größenordnung mannigfaltiger ist als die Anzahl der zur Aus- 
wahl stehenden Ereignisse. 
Zur Erklärung der gegenwärtig überreichen Produktion 
von wissenschaftlichen Ideen mag weiter auch der Umstand 
dienen, daß bei der weit verbreiteten Arbeitslosigkeit manche 
geistig interessierten Köpfe, die das Bedürfnis nach pro- 
duktiver Tätigkeit empfinden, die Beschäftigung mit all- 
gemein theoretischen und philosophischen Problemen als 
einen rettenden und wohlfeilen Ausweg aus der leeren Öde 
ihres täglichen Lebens willkommen heißen. Leider kommt 
dabei nur in den seltensten Fällen ein wertvolles Resultat
	        
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