74 Die Entstehung und Entwicklung der Quantentheorie
Es sei mir hier eine kleine Einschaltung gestattet. Die
Entropie ist nach Boltzmann ein Maß für die physikalische
Wahrscheinlichkeit, und das Wesen des zweiten Hauptsatzes
der Wärmetheorie besteht darin, daß in der Natur ein Zustand
um so häufiger vorkommt, je wahrscheinlicher er ist. Nun
mißt man unmittelbar immer nur Differenzen von Entropien,
niemals die Entropie selber, und insofern kann man gar nicht
ohne eine gewisse Willkür von der absoluten Entropie eines
Zustandes reden. Aber dennoch empfiehlt sich die Einführung
der passend definierten absoluten Größe der Entropie, und
zwar aus dem Grunde, weil mit ihrer Hilfe gewisse allgemeine
Sätze sich besonders einfach formulieren lassen. Es geht hier,
soviel ich sehe, ganz ebenso wie bei der Energie. Auch die
Energie ist nicht selber meßbar, sondern nur ihre Differenzen.
Daher rechnete man früher nicht mit der Energie, sondern
mit der Arbeit, und noch Ernst Mach, der sich vielfach mit
dem Satz der Erhaltung der Energie beschäftigt hat, der
aber allen über das Gebiet der Beobachtung hinausgehenden
Spekulationen grundsätzlich aus dem Wege ging, hat es stets
vermieden, von der Energie selber zu sprechen. Ebenso blieb
man in der Thermochemie anfänglich immer bei den Wärme-
tönungen, also bei Energiedifferenzen, stehen, bis namentlich
Wilhelm Ostwald mit Nachdruck darauf hinwies, daß
manche umständliche Überlegung sich wesentlich abkürzen
läßt, wenn man statt mit den kalorimetrischen Zahlen mit
den Energien selber rechnet. Die in dem Ausdruck der
Energie dann zunächst noch unbestimmt bleibende additive
Konstante ist später durch den relativistischen Satz von der
Proportionalität zwischen Energie und Trägheit endgültig
festgelegt worden (15).
Ähnlich wie für die Energie kann man nun auch für die
Entropie und infolgedessen auch für die physikalische Wahr-
scheinlichkeit einen absoluten Wert definieren, indem man
die additive Konstante etwa dadurch festlegt, daß mit der
Energie (besser noch mit der Temperatur) zugleich auch die
Entropie verschwindet. Auf Grund einer derartigen Be-
trachtungsweise ergab sich für die Berechnung der physika-
lischen Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Energieverteilung
in einem System von Resonatoren ein bestimmtes verhiltnis-