| Religion und Naturwissenschaft 93
ch- eine noch so ehrwürdige Stellung einnehmen. Dies zu betonen ist des-
| halb so wichtig, weil die Wertschätzung, deren sich gewisse religiôse
m- | Symbole erfreuen, im Lauf der Jahrhunderte gewissen unvermeid-
er | lichen, durch die Entwicklung der Kultur bedingten Schwankungen
in- | unterliegt, und weil es im Interesse der Pflege echter Religiositàt
n, | liegt, festzustellen, daß das, was hinter und über den Symbolen steht,
Bt von solchen Schwankungen nicht betroffen wird.
re | Um unter vielen speziellen Beispielen hier nur ein einziges anzu-
nd | führen: ein geflügelter Engel galt von jeher als das schönste Sinnbild
u- | eines Dieners und Boten Gottes. Neuerdings findet man unter den
er / anatomisch Gebildeten einige, deren wissenschaftlich geschulte Ein-
en | bildungskraft ihnen beim besten Willen nicht gestattet, eine solche
6, | physiologische Unmöglichkeit schön zu finden. Dieser Umstand
ch | braucht aber ihrer religiösen Gesinnung nicht im mindesten Eintrag
n- | zu tun. Sie sollen sich nur sorgfältig hüten, den anderen, denen der
e- Anblick geflügelter Engel Trost und Erbauung gewährt, die heilige
er | Stimmung zu schmälern oder zu verderben.
t- | Aber noch eine andere weit ernstere Gefahr droht einer Über-
li- | schätzung der Bedeutung religiöser Symbole von seiten der Gott-
d, 4 losenbewegung. Es ist eines der beliebtesten Mittel dieser auf die
r- : Untergrabung jeder echten Religiositát abzielenden Bewegung, ihre
id | Angriffe gegen alteingebürgerte religiöse Sitten und Gebräuche zu
richten und sie als veraltete Einrichtungen lächerlich oder verächtlich
n- | zu machen. Mit solchen Angriffen gegen Symbole glauben sie die
e- Religion selber zu treffen, und sie haben um so leichteres Spiel, je
r- | eigentümlicher und auffallender sich derartige Anschauungen und
SS Sitten ausnehmen. Schon manche religiöse Seele ist dieser Taktik
e | zum Opfer gefallen.
2- | Solcher Gefahr gegenüber gibt es keine bessere Schutzwehr als
ie i sich klarzumachen, daf? ein religióses Symbol, mag es noch so ehr-
t | würdig sein, niemals einen absoluten Wert darstellt, sondern immer
h | nur einen mehr oder weniger unvollkommenen Hinweis auf ein Höhe-
res, das den Sinnen nicht direkt zugänglich ist.
1 Unter diesen Umständen ist es wohl verständlich, daß im Lauf der
n Religionsgeschichte immer wieder der Gedanke auftaucht, den Ge-
t brauch von religiósen Symbolen von vornherein einzuschrünken oder
n sogar ganz aufzuheben und die Religion mehr als eine Angelegenheit
d der abstrakten Vernunft zu behandeln. Doch zeigt schon eine kurze
1 Überlegung, daf? ein solcher Gedanke ganz abwegig ist. Ohne Symbol
3 wäre keine Verständigung, überhaupt keine Mitteilung zwischen den
Menschen möglich. Das gilt nicht allein für den religiösen, sondern
auch für jeglichen menschlichen Verkehr, auch im profanen täglichen
S Leben. Schon die Sprache ist ja nichts anderes als ein Symbol für
etwas Höheres, für den Gedanken. Gewiß beansprucht ein einzelnes