Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

        
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Religion und Naturwissenschaft 
wohl nicht an den Symbolen fest, sondern hat Verständnis dafür, 
daß es auch andere ebenso religiöse Menschen geben kann, denen 
andere Symbole vertraut und heilig sind, ebenso wie irgendein be- 
stimmter Begriff der nämliche bleibt, ob er durch dieses oder jenes 
Wort, in dieser oder jener Sprache ausgedrückt wird. 
Aber mit der Anerkennung dieses Tatbestandes sind die Merk- 
male echt religiöser Gesinnung noch keineswegs erschöpfend klar- 
gestellt. Denn nun erhebt sich noch eine weitere, die eigentlich grund- 
sätzliche Frage. Hat die höhere Macht, die hinter den religiösen 
Symbolen steht, und die ihnen ihre wesentliche Bedeutung verleiht, 
ihren Sitz lediglich im Geiste des Menschen und kommt mit ihm zu- 
gleich zum Erlöschen oder stellt sie noch etwas mehr vor? Mit an- 
deren Worten: Lebt Gott nur in der Seele der Gläubigen, oder regiert 
er die Welt unabhängig davon, ob man an ihn glaubt oder nicht 
glaubt? Dies ist der Punkt, an welchem sich die Geister grundsätz- 
lich und endgültig scheiden. Er läßt sich nie und nimmer auf wissen- 
schaftlichem Wege, das heißt durch logische, auf Tatsachen begrün- 
dete Schlußfolgerungen aufklären. Vielmehr ist die Beantwortung 
dieser Frage einzig und allein die Sache des Glaubens, des religiösen 
Glaubens. : 
Der religiöse Mensch beantwortet die Frage dahin, dafs Gott 
existiert, ehe es überhaupt Menschen auf der Erde gab, daß er von 
Ewigkeit her die ganze Welt, Gläubige und Ungläubige, in seiner 
allmächtigen Hand hält und daß er auf seiner aller menschlichen 
Fassungskraft unzugänglichen Höhe unveränderlich thronen bleibt, 
auch wenn die Erde mit allem, was auf ihr ist, längst in Trümmer 
gegangen sein wird. Alle diejenigen, die sich zu diesem Glauben 
bekennen und sich, von ihm durchdrungen, in Ehrfurcht und hin- 
gebendem Vertrauen unter dem Schutz des Allmächtigen vor allen 
Gefahren des Lebens gesichert fühlen, aber auch nur diese, dürfen 
sich zu den wahrhaft religiös Gesinnten rechnen. 
Das ist der wesentliche Inhalt der Sätze, deren Anerkennung die 
Religion von ihren Anhängern fordert. Sehen wir nun zu, ob und wie 
sich diese Forderungen mit denen der Wissenschaft, speziell der 
Naturwissenschaft, vertragen. 
HL 
Indem wir darangehen zu prüfen, welche Gesetze uns die Wissen- 
schaft lehrt, und welche Wahrheiten ihr als unantastbar gelten, wird 
es unsere Aufgabe vereinfachen und für unseren Zweck vollauf ge- 
nügen, wenn wir uns an die exakteste aller Naturwissenschaften 
halten, die Physik. Denn von ihr wäre jedenfalls am ehesten ein 
Widerspruch gegen die Forderungen der Religion zu erwarten. Wir 
haben also zu fragen, welcher Art die Erkenntnisse der physikali- 
 
	        
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