Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

   
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Determinismus oder Indeterminismus? 
III. 
Wie steht es denn nun mit dem anderen Fall, daß jemand sich 
von einem Turm herabstürzt? Hier treffen wir offenbar auf das ur- 
alte Problem der Willensfreiheit. Ist der menschliche Wille deter- 
miniert oder ist er nicht determiniert? Auch hier kommt alles auf die 
Voraussetzungen an, mit denen man an die Beantwortung der Frage 
herangeht. 
Wenn man sich auf den Standpunkt objektiv wissenschaftlicher 
Betrachtung stellt, so muß der menschliche Wille als vollkommen 
determiniert angesehen werden. Denn die Wissenschaft kann mit 
einem freien Willen nichts anfangen. Der Historiker, der Biograph, 
der Psychologe, der Psychiater geht stets von der Voraussetzung aus, 
daß die Willensentscheidungen der von ihm behandelten Persönlich- 
keiten zurückzuführen sind auf bestimmte Ursachen, Motive, be- 
wußter oder unbewußter Art, die in der geistigen Verfassung der 
betreffenden Personen ihren Ursprung haben und durch äußere Um- 
stände ausgelöst werden. Eine Berufung auf die Willensfreiheit sei- 
nes Helden bzw. seiner Versuchsperson oder seines Patienten wäre 
für ihn gleichbedeutend mit dem Verzicht auf wissenschaftliches Ver- 
ständnis. 
Daher hört man von exakt wissenschaftlich eingestellter Seite her 
häufig die Behauptung, die Willensfreiheit sei nur eine scheinbare, in 
Wirklichkeit sei der Wille stets streng determiniert. Hier haben wir 
wieder die ominösen Worte „scheinbar“ und „wirklich“. Man kann 
auch hier wieder gerade umgekehrt die Behauptung aufstellen: das 
Wirklichste, was es auf der Welt gibt, ist unser Selbstbewußtsein, 
als der Ursprung jeglichen Denkens. Was ist wirklicher als das 
sichere Gefühl, daß, wenn wir, vor eine wichtige Entscheidung ge- 
stellt, alle Gründe, welche für und welche gegen einen bestimmten 
Entschluß sprechen, auf das Sorgfältigste überlegt und gegeneinan- 
der abgewogen haben, im letzten Augenblick immer noch die Mög- 
lichkeit besitzen, wenn vielleicht auch nur aus Laune, gerade das 
Entgegengesetzte zu tun von dem, was wir uns vorher überlegt hat- 
ten? Was ist wirklicher als die mit dem Verantwortungsbewußtsein 
verbundene Qual der Unschlüssigkeit, die eine solche Entscheidung 
manchmal mit sich bringt? Wenn wir von dieser Auffassung der 
Wirklichkeit ausgehen, dann ist die Willensfreiheit gewiß nicht 
scheinbar, sondern sie ist mit allen ihren Merkmalen wirklich und 
wahrhaftig vorhanden. 
Wir erkennen hier also wieder ganz den nämlichen Sachverhalt 
wie in unseren früheren Beispielen und können auch hier feststellen, 
daß der Streit darüber, ob der menschliche Wille determiniert oder 
nicht determiniert ist, in Wahrheit ein Streit um die Betrachtungs- 
  
   
 
	        
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