Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

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Die Stellung der neueren Physik zur mechanischen Naturanschauung 3 
der Chemie, Astronomie, ja bis in die Erkenntnistheorie hinein schlágt, 
und daß in ihrem Gefolge sich wissenschaftliche Kämpfe ankündigen, 
denen nur noch die um die kopernikanische Weltanschauung ge- 
führten vergleichbar sein werden. Was zu dieser Revolution geführt 
hat, und wie die durch sie hervorgerufene Krisis vielleicht überwun- 
den werden wird, das möchte ich im folgenden darzulegen versuchen. 
Die Blütezeit der mechanischen Naturanschauung lag im vorigen 
Jahrhundert. Den ersten mächtigen Impuls erfuhr sie durch die Ent- 
deckung des Prinzips der Erhaltung der Energie, ja sie wurde sogar 
manchmal mit dem Energieprinzip, besonders in der ersten Zeit seiner 
Entdeckung, geradezu identifiziert. Dieses Mißverständnis rührt 
jedenfalls daher, daß vom Standpunkt der mechanischen Natur- 
anschauung das Energieprinzip sich sehr leicht deduzieren läßt; denn 
wenn alle Energie mechanischer Natur ist, so ist im Grunde das 
Energieprinzip nichts anderes als das in der Mechanik schon seit 
langer Zeit bekannte Gesetz der lebendigen Kräfte. Es gibt dann in 
der ganzen Natur überhaupt nur zwei Arten von Energie, kinetische 
und potentielle, und es handelt sich nur noch darum, bei einer be- 
stimmten Energieart, z. B. Wärme, Elektrizität, Magnetismus, zu 
entscheiden, ob sie kinetischer oder potentieller Natur ist. Dies ist 
ganz der Standpunkt, den Helmholtz in seiner ersten epoche- 
machenden Schrift über die Erhaltung der Kraft eingenommen hat. 
Es dauerte erst eine gewisse Zeit, ehe man sich bewußt wurde, daß 
mit dem Satz der Erhaltung der Energie über die Natur der Ener- 
gie noch gar nichts ausgesagt ist — welche Meinung übrigens der 
Entdecker des mechanischen Wärmeäquivalents, Julius Robert 
Mayer, bekanntlich von Anfang an verfochten hatte. 
Was der mechanischen Anschauung ihren eigentlichen speziellen 
Antrieb verlieh, das war vielmehr die Entwicklung der kinetischen 
Gastheorie. Dieselbe traf aufs glücklichste zusammen mit der Rich- 
tung, welche inzwischen die chemische Forschung eingeschlagen hatte. 
Dort war man bei der Aufgabe, das Molekül vom Atom genau zu 
unterscheiden, auf den Avogadroschen Satz gekommen, als auf 
die brauchbarste Definition des gasförmigen Moleküls, und nun er- 
gab sich gerade dieser Satz als eine strenge Folgerung der kine- 
tischen Gastheorie, wofern man als Maß der Temperatur die leben- 
dige Kraft der bewegten Moleküle einführt. So konnten auf Grund 
der atomistischen Vorstellungen die Erscheinungen der Dissoziation 
und Assoziation, der Isomerie, der optischen Aktivität der Moleküle, 
durch mechanische Betrachtungen bis ins einzelne aufgehellt werden, 
mit gleichem Erfolge wie die physikalischen Vorgänge der Reibung, 
der Diffusion, der Wärmeleitung. 
Allerdings blieb noch die Frage als letztes wichtigstes Problem 
zurück, wie die Verschiedenheit der chemischen Elemente durch Be- 
 
	        
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