Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

   
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Determinismus oder Indeterminismus? 111 
rer bisherigen Betrachtungen entnehmen. Sobald es sich um die 
wissenschaftliche Betrachtungsweise handelt, werden die Voraus- 
setzungen, die der Erforschung eines Geschehnisses zugrunde gelegt 
werden, stets so gewählt, daß das Geschehnis determiniert ist. Das 
sahen wir sowohl bei der Frage nach dem morgigen Wetter, welches 
durch die Gesetze der Physik vollständig bestimmt wird, als auch 
bei der Frage nach dem menschlichen Willen, der durch historische 
oder psychologische Forschung auf seinen Ursprung zurückgeführt 
wird. In der Tat ist es ja gerade die Aufgabe der wissenschaftlichen 
Forschung, die Zusammenhänge im Ablauf eines Geschehnisses mög- 
lichst vollständig zu erkennen, und das kann auf keine bessere Weise 
erreicht werden als durch Einführung von Voraussetzungen, die das 
Geschehnis als ein determiniertes erscheinen lassen. Der hierdurch 
erlangte Vorteil der Betrachtungsweise ist so groß, daß die Wissen- 
schaft sich ihm zuliebe stellenweise vom praktischen Leben mehr 
oder weniger weit entfernt. Sie wendet sich ab von der tatsächlichen 
Arbeit der Meteorologen mit ihren beschränkten Hilfsmitteln und 
sucht sie zu idealisieren, indem sie den Forschern unbeschränkte 
Kenntnisse und Fähigkeiten in der Anwendung und Durchrechnung 
der physikalischen Gesetze zuschreibt. Und um den menschlichen 
Willen als vollkommen determiniert erkennen zu können, muß der 
wissenschaftliche Forscher darauf verzichten, seinen eigenen Willen 
zu betrachten, von dem er doch im Leben am unmittelbarsten Be- 
scheid weiß, und muß sich damit begnügen, nach Analogie seines 
eigenen Willensbewußtseins die Willensäußerungen anderer Persön- 
lichkeiten, sei es als Historiker oder als Psychologe zu studieren. 
Denn nur so kann er den Abstand vom Objekt seiner Untersuchung 
gewinnen, welcher die notwendige Voraussetzung dafür bildet, daß 
die Willenshandlungen als determiniert betrachtet werden können. 
Dieser Verzicht auf Lebensnähe und Anschaulichkeit bedeutet ein 
schweres Opfer, aber das Opfer muß gebracht werden und wird ge- 
bracht mit Rücksicht auf den ungleich höheren Gewinn, welcher der 
wissenschaftlichen Forschung aus der Einführung des Determinismus 
erwächst. 
Und wie in den besprochenen Beispielen, so wird es auch in allen 
anderen Fällen sein. Wir können es geradezu als die erste Aufgabe 
der wissenschaftlichen Betrachtung eines Geschehnisses bezeichnen, 
daß sie diejenigen Voraussetzungen aufsucht und einführt, welche 
das Geschehnis vollständig determinieren. 
V. 
Unsere bisherigen Überlegungen und ihre Ergebnisse kónnen uns 
als passende Vorbereitung dienen zur Behandlung einer weiteren 
Frage, die durch die Entwicklung der Quantenmechanik entstanden 
  
  
	        
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