112 Determinismus oder Indeterminismus?
ist und die gegenwärtig wegen ihrer prinzipiellen Bedeutung das
Interesse der Physiker und anderer Kreise weit iiber die Physik hin-
aus in hohem Maße in Anspruch nimmt. Es ist die Frage, ob die
feinsten physikalischen Geschehnisse, die atomaren Vorgänge, deter-
miniert oder indeterminiert sind.
Lassen Sie mich auch hier wieder an einen konkreten Fall an-
knüpfen. Ein Strahl von Elektronen, die sich alle mit der nämlichen
Geschwindigkeit in der nämlichen Richtung, im übrigen aber un-
geordnet und unabhängig voneinander bewegen, falle schräg auf ein
sehr dünnes Kristallbláttchen. Dann wird ein gewisser genau an-
zugebender Prozentsatz dieser Elektronenschar vom Kristall reflek-
tiert, der Rest fliegt durch den Kristall hindurch. Der Fall, daß ein-
mal ein Elektron im Kristall steckenbleibt, kann ganz außer Betracht
gelassen werden, wenn wir das Blättchen hinreichend dünn annehmen.
Falls aber nur ein einziges Elektron mit der betreffenden Geschwin-
digkeit in der betreffenden Richtung auf den Kristall trifft, so kann
es nur entweder reflektiert oder durchgelassen werden. Denn das
Elektron bleibt stets ein Ganzes, eine Spaltung in zwei Teile
ist unmöglich. Das Gesetz der Reflexion der Elektronen an dem
Kristall ist also ein statistisches. Es bestimmt nur das Verhalten
einer großen Anzahl von Elektronen, es versagt aber bei der
Frage nach dem Verhalten eines einzelnen Elektrons. Man kann, dies
auch so ausdrücken, daß man sagt: Was sich beim Auftreffen
eines einzelnen Elektrons auf den Kristall in bestimmter Weise
spaltet, ist nicht das Elektron selber, sondern ist die Wahrschein-
lichkeit dafür, daß das ganze Elektron den einen oder den anderen
Weg nimmt.
Diese einfache anschauliche Vorstellung und die ihr entsprechende
in sich vollkommen geschlossene Theorie hat sich in diesem wie in
vielen andersartigen Fällen ausgezeichnet bewährt und ist insofern
durchaus befriedigend. Daher sind gegenwärtig zahlreiche Physiker
geneigt, sie als die endgültige Lösung des Problems zu betrachten,
und bezeichnen demgemäß die Reflexion eines einzelnen Elektrons
beim Auftreffen auf den Kristall als einen im absoluten Sinne in-
determinierten Vorgang.
Das ist nun eine Verallgemeinerung von so weittragender Bedeu-
tung, daß sie, ehe man sich ihr anschließt, einer eingehenden Prüfung
unterzogen werden muß. Vor allem ist zu fragen, wie sich diese Be-
hauptung zu dem Ergebnis unserer vorigen Betrachtungen verhält,
wonach ein Vorgang niemals bedingungslos als determiniert oder
indeterminiert bezeichnet werden kann, sondern nur mit Rücksicht
auf die Voraussetzungen, die man seiner Betrachtung zugrunde legt.
Sollte das auch für die Elektronenreflexion zutreffen? Und, wenn
das der Fall ist, sollten die Voraussetzungen, deren Benutzung not-