Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
126 Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft 
Das scheint nun allerdings ein recht mageres Ergebnis zu sein. 
Denn der Inhalt der Sinnenwelt ist doch jedenfalls nur ein subjek- 
tiver, jeder Mensch hat seine eigenen Sinne, und die Sinne der ein- 
zelnen Menschen sind im allgemeinen sehr verschieden voneinander, 
wührend es sich bei der exakten Wissenschaft doch um die Ge- 
. winnung objektiver allgemeingültiger Erkenntnisse handelt. Es sieht 
daher fast so aus, als ob der gefundene Ausweg sich doch nur als 
ein Irrweg herausstellen kónnte. Aber wir dürfen nicht vorzeitig ur- 
teilen. Denn es wird sich zeigen, dal} wir in der jetzt sich 6ffnenden 
Richtung ganz erheblich vorwärtskommen werden. Im ganzen gesehen, 
kommt diese Sachlage darauf hinaus, daß wir Menschen die Erkennt- 
nisse, die uns durch die exakte Wissenschaft vermittelt werden, nicht 
auf direktem Wege in ihrem vollen Umfang uns zu eigen machen 
können, sondern daß wir sie einzeln, Schritt für Schritt, in mühevoller 
Arbeit von Jahren und Jahrhunderten allmählich uns erwerben 
müssen. Dieser Tatbestand mag von manchem bedauert werden, er 
hat aber auch seine wertvollen Seiten. Jedenfalls ist er nicht zu 
ändern. 
Wenn wir nun den Inhalt unserer Sinnenwelt überblicken, so zer- 
fällt er offensichtlich in so viele getrennte Gebiete, als wir verschie- 
dene Sinnesorgane besitzen, je eines für das Sehen, Hören, Tasten, 
Riechen oder Schmecken und für die Wärme. Diese Gebiete sind an 
sich völlig verschieden und haben zunächst nichts miteinander zu tun. 
Es gibt von vornherein keine Brücke zwischen dem Empfinden für 
Farben und dem Empfinden für Töne. Eine Verwandtschaft, wie sie 
von manchen Kunstliebhabern etwa zwischen einer bestimmten Farbe 
und einer bestimmten Tonart angenommen wird, ist nicht unmittelbar 
gegeben, sondern ist eine durch persönliche Erlebnisse angeregte 
Schopfung der reflektierenden Einbildungskraft. 
Da die exakte Wissenschaft es mit meßbaren Größen zu tun hat, 
so kommen für sie in erster Linie diejenigen Sinneseindrücke in Be- 
tracht, welche quantitative Angaben gestatten, also die Gesichtswelt, 
die Gehörswelt und die Tastwelt. Diesen Gebieten entnimmt die 
Wissenschaft das Material für.ihre Forschung und bearbeitet es mit 
den Werkzeugen des logischen, mathematisch und philosophisch ge- 
schulten Denkens. 
II. 
Welches ist nun der Sinn dieser wissenschaftlichen Arbeit? Er 
liegt kurz gesagt in der Aufgabe, in die bunte Fülle der uns durch 
die verschiedenen Gebiete der Sinnenwelt übermittelten Erlebnisse 
Ordnung und Gesetzliehkeit hineinzubringen — eine Aufgabe, die sich 
bei nüherer Betrachtung als vóllig übereinstimmend erweist mit der- 
jenigen Aufgabe, die wir in unserem Leben von frühester Jugend auf
	        
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