Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

   
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Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft 133 
die Sinnenwelt, und es ist unzulässig, zum mindesten aber über- 
flüssig, hinter dieser Welt noch eine metaphysische Welt anzuneh- 
men, die sich jeder direkten wissenschaftlichen Prüfung entzieht.“ 
Darauf ist zu erwidern, daß in den obigen Sätzen das Vorwort „hin- 
ter“ nicht in äußerlichem, räumlichem Sinn verstanden werden darf. 
Man könnte statt „hinter“ ebensogut sagen „in“. Das metaphysisch 
Reale steht nicht räumlich hinter dem erfahrungsmäßig Gegebenen, 
sondern es steckt ebensogut auch in ihm mitten drin. „Natur ist 
weder Kern noch Schale, alles ist sie mit einem Male.* Das Wesent- 
liche ist, dafá die Welt der Sinnesempfindungen nicht die einzige 
Welt ist, die begrifflieh existiert, sondern daß es noch eine andere 
Welt gibt, die uns allerdings nicht unmittelbar zugänglich ist, auf 
die wir aber nicht nur durch das praktische Leben, sondern auch 
durch die Arbeit der Wissenschaft immer wieder mit zwingender 
Deutliehkeit hingewiesen werden. Denn das grofie Wunder der un- 
ablássig fortschreitenden Vervollkommnung des wissenschaftlichen 
Weltbildes treibt den Forscher notgedrungen dazu, nach dessen 
endgültiger Gestaltung zu suchen. Und da man das, was man sucht, 
auch als vorhanden annehmen muß, so befestigt sich bei ihm die 
Überzeugung von der tatsächlichen Existenz einer realen Welt im 
absoluten Sinn. Dieser feste, durch keine Hemmnisse zu erschüt- 
ternde Glaube an das absolut Reale in der Natur ist es, der für ihn 
die gegebene Voraussetzung seiner Arbeit bildet und ihn immer wie- 
der in der Hoffnung bestärkt, daß es ihm gelingen möge, sich an das 
Wesen der objektiven Natur noch etwas näher heranzutasten und 
dadurch ihren Geheimnissen immer mehr auf die Spur zu kommen. 
Da die reale Welt im absoluten Sinn unabhängig ist von der ein- 
zelnen Persönlichkeit, ja unabhängig von aller menschlichen Intelli- 
genz, so kommt jeder Entdeckung, die ein einzelner macht, eine ganz 
allgemeine Bedeutung zu. Das gibt dem Forscher, der in stiller Ab- 
geschiedenheit mit seinem Problem ringt, die Gewißheit, daß jedes 
Resultat, das er dabei findet, unmittelbar auch bei allen Sach- 
verständigen der ganzen Welt Anerkennung erzwingt, und dieses 
Gefühl der Bedeutung seiner Arbeit bildet sein Glück, es gibt ihm 
vollwertigen Ersatz für mancherlei in seinem Alltagsleben gebrachte 
Opfer. 
Der Höhe solchen Zieles gegenüber müssen alle Bedenken wegen 
der Schwierigkeiten, die sich bei der Ausarbeitung des wissenschaft- 
lichen Weltbildes einstellen, grundsätzlich in den Hintergrund treten. 
Das zu betonen ist heutzutage besonders wichtig, weil gegenwärtig 
derartige Schwierigkeiten manchmal als ernste Hindernisse eines 
gedeihlichen Fortschrittes der wissenschaftlichen Arbeit betrachtet 
werden, und zwar sonderbarerweise weniger die experimentellen als 
die theoretischen Schwierigkeiten. Daß mit den steigenden An- 
  
  
	        
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