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Sinn und Grenzen der exakten Wissenschaft 137
steigendem Maße genötigt, sich abstrakter mathematischer Hilfs-
mittel zu bedienen. Damit ist natürlich nicht gesagt, daß nicht auch
der Experimentator theoretische Überlegungen anstellt. Das erste
klassische Beispiel für eine Großtat, die solcher Arbeitsteilung ent-
sprungen ist, bildet die Schöpfung der Spektralanalyse durch Ro-
bert Bunsen, den Experimentator, und Gustav Kirchhoff,
den Theoretiker. Sie hat sich seitdem stetig weiter entwickelt und
mit der Zeit immer reichere Früchte getragen. Jedesmal, wenn durch
einen experimentellen Befund ein Widerspruch mit der bestehenden
Theorie festgestellt ist, kündigt sich ein neuer Fortschritt an; denn
dann wird eine Veründerung und Verbesserung der Theorie not-
wendig. Die Frage aber, an welchem Punkte und in welcher Weise
diese Veränderung vorzunehmen ist, bietet oft große Schwierigkeiten.
Denn je bewährter eine bestehende Theorie ist, um so empfindlicher
und widersetzlicher zeigt sie sich gegenüber allen Abänderungs-
versuchen, Sie gleicht darin einem kunstvollen weitverzweigten Orga-
nismus, dessen einzelne Glieder sich gegenseitig bedingen und der-
artig eng zusammenhängen, daß ein Eingriff, den man an einer Stelle
vollzieht, sich zugleich auch an ganz anderen, scheinbar weit ent-
fernten Stellen geltend macht. Das gibt dann Anlaß zu neuen Fra-
gen, die experimentell geprüft werden können, und führt dadurch
manchmal zu Konsequenzen, an deren Tragweite anfangs niemand
gedacht hatte. So ist die Relativitätstheorie entstanden, so die
Quantentheorie, und so gewährt auch gegenwärtig der Aufbau des
- neuesten Zweiges der Physik, die Erforschung des Atomkernes,
durch die gegenseitige Ergänzung von Experiment und Theorie ein
Musterbeispiel für solch fruchtbares Zusammenwirken.
IV.
. Weshalb aber nun diese ganze gewaltige Arbeit, welche die besten
Kráfte ungezühlter Forscher ihr ganzes Leben hindurch in Anspruch
nimmt? Ist das erzielte Resultat, das doch, wie wir gesehen haben,
in seinen einzelnen Feinheiten immer weiter von den Gegebenheiten
des Lebens fortführt, wirklich dieses kostbaren Einsatzes wert? Die
Frage wäre in der Tat berechtigt, wenn der Sinn der exakten Wissen-
schaft sich auf die Aufgabe beschrünkte, dem Erkenntnistrieb der
forschenden Menschheit eine gewisse Befriedigung zu gewühren.
Aber ihre Bedeutung geht erheblich weiter. Die exakte Wissenschaft
wurzelt ja, wie wir zu Beginn unserer Betrachtungen feststellten, im
menschlichen Leben. Aber sie ist mit dem Leben in doppelter Weise
verbunden. Denn sie schópft nicht allein aus dem Leben, sondern sie
wirkt auch zurück auf das Leben, auf das materielle wie auf das
geistige Leben, und zwar um so krüftiger und fruchtbarer, je un-
gehinderter sie sich entfalten kann. Das äußert sich in einer sehr