Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

    
    
8 Die Stellung der neueren Physik zur mechanischen Naturanschauung 
Ich will hier absehen von einer Schilderung aller verschieden- 
artigen mehr oder weniger komplizierten Annahmen, durch welche 
man dieser Schwierigkeiten Herr zu werden suchte, ich will nur noch 
hinweisen auf ein bedenkliches Symptom, welches unfruchtbare Hypo- 
thesen zu begleiten pflegt und welches sich auch bei dem vorliegen- 
den Problem unangenehm .fühlbar machte: ich meine das Auftreten 
von physikalischen Kontroversen, die gar nicht durch Messungen zu 
entscheiden sind. Dahin gehört vor allem die berühmte Kontroverse 
zwischen Fresnel und Neumann über den Zusammenhang der 
Schwingungsrichtung geradlinig polarisierten Lichtes mit der Polari- 
sationsebene. Es läßt sich wohl kaum ein Gebiet der Physik namhaft 
machen, in welchem um eine im Grunde, wie es scheint, unlösbare 
Frage ein so hartnäckiger Kampf geführt wurde, mit allen. erdenk- 
lichen Waffen des Experimentes und der Theorie. 
Erst mit dem Vordringen der elektromagnetischen Lichttheorie 
wurde dieser Kampf als bedeutungslos erkannt und abgebrochen — 
bedeutungslos allerdings nur für diejenige Auffassung, welche sich 
damit begnügt, das Licht als einen elektrodynamischen Vorgang zu - 
betrachten. Denn das Problem der mechanischen Erklárung der Licht- 
wellen blieb ungelóst bestehen, es war nur vertagt bis zur Lósung 
des viel allgemeineren Problems, sámtliche elektromagnetische Vor- 
gänge, statische und dynamische, auf Bewegung zurückzuführen. Und 
in der Tat: mit der weiteren Entwicklung der Elektrodynamik wuchs 
das Interesse an diesem größeren Problem wieder um so stärker. 
Man ging mit umfassenderen Hilfsmitteln, von allgemeineren Er- 
wägungen aus daran, es seiner Lösung näher zu führen, und damit 
stieg auch die Bedeutung des Lichtäthers wieder: denn war er bisher 
nur der Sitz der optischen Wellen gewesen, so wurde er nun Träger 
der Gesamtheit der elektromagnetischen Erscheinungen, wenigstens 
im reinen Vakuum. 
Doch alles war vergeblich — der Lichtäther spottete abermals aller 
Bemühungen, ihn mechanisch zu begreifen. Soviel schien zwar ein- 
leuchtend, daß die elektrische und magnetische Energie sich in ge- 
wissem Sinne ebenso gegenüberstehen, wie kinetische und potentielle 
Energie, und es frug sich zunächst nur, ob man die elektrische oder 
die magnetische Energie als kinetisch aufzufassen habe. Ersteres 
würde für die Optik zur Fresnelschen, letzteres zur Neumann- 
schen Theorie führen. Aber die. Hoffnung, daß nunmehr die Herein- 
ziehung der Eigentümlichkeiten statischer und stationärer Felder die 
nötigen Anhaltspunkte zu der auf optischem Gebiet unmöglichen Ent- 
scheidung liefern würde, verwirklichte sich nicht. Im Gegenteil, die- 
selbe vermehrte nur die Schwierigkeiten in gesteigertem Maße. Alle 
nur denkbaren Vorschläge und Kombinationen wurden erschöpft, um 
die Konstitution des Lichtäthers zu ergründen; am tätigsten in dieser
	        
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