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Die Stellung der neueren Physik zur mechanischen Naturanschauung 17
hier jedenfalls noch vieles im einzelnen aufzuklären gibt. Wären wir
imstande, alle derartigen Fragen befriedigend zu beantworten, so
würe die Physik keine induktive Wissenschaft mehr, und das wird sie
sicherlich stets bleiben.
Wie schon.diese wenigen Bemerkungen erkennen lassen werden,
erweist sich das Prinzip der Relativitát keineswegs lediglich zer-
setzend und zerstórend — es wirft ja nur eine Form beiseite, welche
durch die unaufhaltsame Erweiterung der Wissenschalt ohnedies
schon gesprengt war —, sondern in weit hóherem Grade ordnend und
aufbauend. Es errichtet an Stelle des alten zu eng gewordenen Ge-
büudes ein neues, umfassenderes und dauerhafteres, welches alle
Schütze des alten, selbstverstándlich auch die gesamte oben von mir
geschilderte Atomistik, in veründerter, übersichtlicherer Gruppierung
in sich aufnimmt und noch für neu zu erwartende den vorher be-
stimmten Platz gewährt. Es entfernt aus dem physikalischen Welt-
bild die unwesentlichen, nur durch die Zufälligkeit unserer mensch-
lichen Anschauungen und Gewohnheiten hineingebrachten Bestand-
teile und reinigt dadurch die Physik von den anthropomorphen, der
Eigenart der Physiker entstammenden Beimengungen, deren voll-
ständige Ausscheidung ich an anderer Stelle als das eigentliche Ziel
jeglicher physikalischer Erkenntnis hinzustellen versucht habe. Es
eröffnet dem vorwärtstastenden Forscher eine Perspektive von schier
unermeßlicher Weite ‘und Erhabenheit, und leitet ihn auf Zusammen-
hänge, die man in früheren Perioden nicht einmal zu ahnen vermochte,
und die auch der formvollendeten Mechanik von Heinri ch Hertz
noch fremd bleiben mußten. Wer einmal den Schritt gewagt hat, sich
in die Gedankenfolge dieser neuen Anschauungen zu vertiefen, der
kann sich dem Zauber, der von ihnen ausgeht, auf die Dauer nicht
mehr entziehen, und es ist wohl begreiflich, daß eine künstlerisch
veranlagte Natur, wie diejenige des der Wissenschaft zu früh ent-
rissenen Hermann Minkowski, durch sie zu heller Begeisterung
entflammt werden konnte.
Aber physikalische Fragen werden nicht nach ästhetischen Ge-
sichtspunkten entschieden, sondern durch Experimente, und dies be-
deutet in allen Fällen nüchterne, mühsame, geduldige Detailarbeit.
Und gerade darin zeigt sich ja die hohe physikalische Bedeutung des
Relativitátsprinzips, daf es auf eine Reihe physikalischer Fragen,
die früher völlig im Dunkeln lagen, eine ganz präzise, durch Ver-
suche kontrollierbare Antwort gibt. Man muß das Prinzip daher
mindestens als eine Arbeitshypothese von eminenter Fruchtbarkeit
anerkennen, gerade im Gegensatz zu den mechanischen Hypothesen
des Lichtäthers. Gegenwärtig ist der Kampf am heißesten entbrannt
auf dem Gebiet der Dynamik der Elektronen, welche durch die Ent-
deckung der elektrischen und der magnetischen Ablenkung frei-
Planck, Wege zur physikalischen Erkenntnis II. 2