Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

  
  
  
      
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
  
  
  
  
  
   
28 Das Prinzip der kleinsten Wirkung 
satz der Thermodynamik erkannt hatten, gab H. v. Helmholtz 
(1886) zum ersten Male von einem möglichst umfassenden Standpunkt 
aus eine systematische Zusammenstellung aller zur Zeit möglichen 
Anwendungen des Prinzips auf die drei großen Gebiete der Physik: 
Mechanik, Elektrodynamik, Thermodynamik, die durch ihre Viel- 
seitigkeit und Fülle überraschen mußte. 
Helmholtz wählte für seine Rechnungen die Hamiltonsche 
Form des Wirkungsprinzips als die bequemste und versah sie noch 
mit einigen Erweiterungen mehr formaler Natur. Die Größe, deren 
Zeitintegral die Hamiltonsche Aktion darstellt, bezeichnet er als 
,kinetisches Potential“. Dabei behielt er freilich noch die Voraus- 
setzung bei, daß das Wirkungsprinzip im Grunde ein mechanisches 
sei; aber diese Beschränkung tritt jetzt schon etwas zurück, denn 
tatsächlich brauchte er bei vielen betrachteten Systemen, wie z. D. 
galvanischen Strömen, Magneten, auf deren spezielle mechanische 
Konstitution gar nicht einzugehen. Dagegen vollzog Helmholtz 
schon damals den entscheidenden Schritt, der darin besteht, daß er 
das kinetische Potential nicht, wie bisher immer geschehen, aus der 
Energie ableitete, als Differenz von kinetischer und potentieller Ener- 
gie, sondern daß er umgekehrt das kinetische Potential als die pri- 
märe Größe voranstellte, und daraus, wie alle übrigen Gesetze der 
Bewegung, so auch die Größe der Energie bestimmte. 
Der Erfolg dieser neuen Betrachtungsweise zeigte sich hauptsäch- 
lich in einer sofort in die Augen springenden wichtigen Verallgemei- 
nerung. Das kinetische Potential ist nämlich, im Gegensatz zur Ener- 
gie, nicht nur seiner analytischen Form, sondern auch seiner Größe 
nach verschieden, je nach der Wahl der unabhängigen Variablen; 
hierfür ein Beispiel. Man kann einige der Bewegungsgleichungen be- 
nutzen, um mit ihrer Hilfe die Zahl der unabhängigen Variablen ent- 
sprechend zu reduzieren. Die eliminierten Variablen sind dann aus 
dem Wirkungsprinzip ganz verschwunden, sie entsprechen sog. ver- 
borgenen Bewegungen. In jedem solchen F alle nimmt nun das kine- 
tische Potential eine andere Größe an, und daraus erklären sich 
z. B. die verschiedenartigen Potentialausdrücke, auf die man in der 
Thermodynamik stößt, je nach der Wahl der unabhängigen Varia- 
blen. Helmholtz zeigte, wie diese verschiedenen Ausdrücke mit- 
einander zusammenhängen und auseinander hervorgehen, er zeigte 
auch, daß das kinetische Potential eine Form annehmen kann, in der 
es gar nicht mehr als Differenz von kinetischer und potentieller Ener- 
gie erscheint. Gerade dieser Umstand läßt die Universalität des 
Wirkungsprinzips besonders deutlich erkennen; denn außerhalb der 
Mechanik ist eine Unterscheidung zwischen kinetischer und poten- 
tieller Energie gar. nicht mehr möglich, es fällt also dort auch die 
Möglichkeit fort, das kinetische Potential eindeutig aus der Energie
	        
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