Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

  
  
  
  
  
  
  
  
  
56 Die Physik im Kampf um die Weltanschauung . 
gern gefallen lassen, obwohl deren Herstellung gerade auf der 
Grundlage der von ihm so heiß bekämpften physikalischen Theorie 
gelungen war. 
Daß eben dieser so erfolgreichen Theorie bei ihrer konsequenten 
Weiterbildung nach Verlauf weniger Jahrzehnte die entgegen- 
gesetzte Einseitigkeit zum Verhängnis werden würde, konnte freilich 
zu seinen Lebzeiten weder Goethe noch sein grofjer wissenschaft- 
licher Gegner Newton im voraus ahnen. Doch ich will nicht vor- 
greifen und kehre zurück zur Schilderung des weiteren Entwicklungs- 
ganges der physikalischen Wissenschaft. 
Der Ausschaltung der spezifischen Sinnesempfindung aus den 
Grundbegriffen der Physik folgte naturgemäß die Verdrängung der 
Sinnesorgane durch geeignete Meßinstrumente. Das Auge wich der 
photographischen Platte, das Ohr der schwingenden Membran, die 
wärmeempfindliche Haut dem Thermometer. Die Einführung selbst- 
registrierender Apparate machte von subjektiven Fehlerquellen noch 
weitergehend unabhängig. Aber das wesentliche Merkmal der ein- 
geschlagenen Entwicklung bestand nicht in der Benutzung neuer 
Meßgeräte, deren Empfindlichkeit und Genauigkeit immer mehr ge- 
steigert wurde. Wesentlich war vielmehr die allgemein zur Grund- 
lage der Theorie gemachte Voraussetzung, daß die Messung einen 
unmittelbaren Aufschluß über das Wesen eines physikalischen Vor- 
ganges gewährt, wozu notwendig auch gehört, daß die Vorgänge 
unabhängig verlaufen von den Instrumenten, mit denen sie gemessen 
werden. Dann ist bei jeder physikalischen Messung zu unterscheiden 
zwischen dem objektiven oder realen Vorgang, der sich völlig selb- 
ständig abspielt, und dem Messungsvorgang, der durch jenen Vor- 
gang ausgelöst wird und von ihm Kunde gibt. Die physikalische 
Wissenschaft hat es mit den realen Vorgängen zu tun. Ihr Ziel ist 
die Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten, welchen diese Vorgänge 
gehorchen. 
Das Berechtigte dieser Fragestellung hat sich in den unermeßlich 
reichen Früchten gezeigt, welche die klassische Physik auf den ihr 
durch diese Auffassung gewiesenen Wegen ernten konnte, und 
welche sich sowohl im praktischen Leben durch die Vermittlung der 
Technik als auch in benachbarten Wissenschaften nach allen Rich- 
tungen hin sichtbar ausgewirkt haben, so daß ich auf ihre Schilde- 
rung im einzelnen füglich verzichten kann. 
Durch solche Erfolge ermutigt, schritt die Forschung in der ein- 
mal eingeschlagenen Richtung nach dem Grundsatz divide et impera 
konsequent weiter. Der Abspaltung der realen Vorgänge von den 
Meßinstrumenten folgte die Spaltung der Körper in die Moleküle, 
die Spaltung der Moleküle in die Atome, die Spaltung der Atome 
in die Kerne und Elektronen. Und parallel damit ging die Teilung 
     
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
  
   
	        
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