Full text: Wege zur physikalischen Erkenntnis (Band 2)

  
  
  
  
  
  
ERES EEE 
  
58 Die Physik im Kampf um die Weltanschauung 
erdrückend. Es handelt sich nicht um einen Neubau, sondern um einen 
Ausbau und eine Erweiterung der Theorie, und zwar speziell für die 
Mikrophysik, da auf dem Gebiet der Makrophysik, d. h. für größere 
Körper und größere Zeiträume, die klassische Theorie ihre Geltung 
immer behalten wird. Der Fehler ist also offenbar nicht in der Grund- 
lage der Theorie zu suchen, sondern zunächst nur darin, daß unter 
den Voraussetzungen, die beim Aufbau der Theorie benutzt wurden, 
sich notwendigerweise eine befindet, die an dem Miferfolg die 
Schuld trägt, und durch deren Beseitigung für den Erweiterungsbau 
Raum zu schaffen wäre. 
Prüfen wir nun einmal den vorliegenden Sachverhalt. Der theo- 
retischen Physik liegt zugrunde die Annahme der Existenz realer, 
von den Sinnesempfindungen unabhängiger Vorgänge. Diese An- 
nahme muß unter allen Umständen aufrechterhalten bleiben: auch 
die positivistisch eingestellten Physiker bedienen sich tatsächlich 
ihrer. Denn wenn sie auch an dem Primat der Sinnesempfindungen 
als der einzigen Grundlage der Physik festhalten, so sind sie doch, 
um einem unvernünftigen Solipsismus zu entgehen, zu der Annahme 
genötigt, daß es auch individuelle Sinnestäuschungen, Halluzinationen 
gibt, und können diese nur ausschließen durch die Forderung, daß 
physikalische Beobachtungen jederzeit reproduzierbar sind. Damit 
wird aber ausgesprochen, was durchaus nicht von vornherein selbst- 
verständlich ist, daß die funktionellen Beziehungen zwischen den 
Sinnesempfindungen gewisse Bestandteile enthalten, die unabhängig 
sind von der Persönlichkeit des Beobachters, ebenso wie von der 
Zeit und dem Ort der Beobachtung, und gerade diese Bestandteile 
sind das, was wir als das Reale an dem physikalischen Vorgang 
bezeichnen und was wir in seiner gesetzlichen Bedingtheit zu erfassen 
suchen. 
Zu der Annahme der Existenz realer Vorgänge hat nun aber die 
klassische Physik, wie wir sahen, stets die weitere Annahme gefügt, 
daß das Verständnis für die Gesetzmäßigkeiten der realen Vorgänge 
sich vollstándig gewinnen lüfit auf dem Wege fortschreitender 
räumlicher und zeitlicher Teilung bis ins unendlich Kleine. Das ist 
eine Voraussetzung, die bei genauerer Betrachtung eine starke Ein- 
schränkung enthält. Sie führt z. B. zu dem Schluß, daß die Gesetze 
eines realen Vorganges sich vollständig verstehen lassen, wenn man 
ihn trennt von dem Vorgang, mittelst dessen er gemessen wird. Nun 
liegt es nahe, die folgende Überlegung anzustellen: der Messungs- 
vorgang kann nur dann von dem realen Vorgang Kunde geben, wenn 
er mit ihm irgendwie kausal zusammenhängt, und wenn er mit 
ihm kausal zusammenhängt, wird er ihn im allgemeinen auch mehr 
oder weniger beeinflussen und ihn in gewisser Weise stören, wo- 
durch das Messungsresultat verfälscht wird. Diese Störung und
	        
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