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Die Physik im Kampf um die Weltanschauung 63
jenigen, die sie ablehnen, ad absurdum zu führen. Aber daß sie bei
der Entwicklung der physikalischen Wissenschaft beide eine ent-
scheidende Rolle spielen, ist nun. einmal eine Tatsache, von der
jedes Blatt der Geschichte Zeugnis ablegt. Gerade die großen Gei-
ster und Bahnbrecher der Physik, die Kepler, Newton, Leib-
niz, Faraday, wurden getrieben von ihrem Glauben einerseits an
die Realität der Außenwelt, andererseits an das Walten einer hóhe-
ren Vernunft in oder über ihr.
Man sollte nie vergessen, daß alle schöpferischen physikalischen
Ideen ihren Ursprung an dieser zweifachen Quelle haben, zunächst
allerdings meist in mehr oder weniger provisorischer, durch die
Eigenart der Phantasie des einzelnen Forschers bedingter Gestal-
tung, dann mit der Zeit in mehr bestimmtere und selbständigere For-
men gefaßt. Gewiß hat es in der Physik stets auch eine Anzahl von
trügerischen Ideengängen gegeben, auf die vielfach unnütze Arbeit
verwendet wurde. Aber auf der andern Seite hat sich doch auch
manches Problem, das zunächst von scharfen Kritikern als sinnleer
abgelehnt wurde, als höchst bedeutungsvoll erwiesen. Noch vor
50 Jahren galt bei allen positivistisch denkenden Physikern die F rage
der Bestimmung des Gewichts eines einzelnen Atoms als physikalisch
sinnlos, als ein Scheinproblem, weil es einer wissenschaftlichen
Untersuchung unzugänglich sei. Heute läßt sich das Gewicht eines
Atoms bis auf den zehntausendsten Teil seines Betrages angeben,
obwohl unsere feinsten Waagen zur direkten Messung ebenso un-
tauglich sind, wie eine Brückenwaage zur Messung von Milligram-
men. Daher muß man sich wohl hüten, ein Problem, für dessen Be-
wältigung vorerst kein deutlicher Weg zu erblicken ist, von vorn-
herein für ein Scheinproblem zu erklären. Es gibt eben nun einmal
kein Kriterium, um a priori zu entscheiden, ob ein vorliegendes Pro-
blem physikalisch sinnvoll ist oder nicht. Das ist ein Punkt, der von
den Positivisten vielfach übersehen wird. Die einzige Máóglichkeit,
um zu einer richtigen Bewertung des Problems zu gelangen, liegt in
der Prüfung der Folgerungen, zu denen es führt. Daher werden wir
auch angesichts der fundamentalen Bedeutung, welche die Voraus-
setzung einer streng waltenden Gesetzlichkeit für die physikalische
Wissenschaft besitzt, die Frage nach ihrer Anwendbarkeit in der
Atomphysik nicht vorschnell für sinnlos erklären dürfen, sondern wir
werden zunüchst einmal alles versuchen müssen, dem Problem der
Gesetzlichkeit auf diesem Gebiet auf die Spur zu kommen.
Worin liegt denn nun aber die tiefere Ursache für das eigentüm-
liche Versagen der klassischen Physik in der F rage der Kausalität,
wenn dafür weder die Störung, die ein physikalischer Vorgang durch
das zu seiner Messung benutzte Instrument erleidet, noch die man-
gelnde Genauigkeit der Meßwerkzeuge einen hinreichenden Grund